Kurzkritik:Debütantenreize

Ruhe und Kraft: Der Extrem-Pianist Igor Levit und der gerade 29 Jahre alte Jung-Dirigent Lionel Bringuier überzeugen in der Gasteig-Philharmonie in München gemeinsam mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks.

Von Harald Eggebrecht

In der Ruhe liegt die Kraft: Mit einem Stück des wenig bekannten Florent Schmitt (1870-1958) ein Debüt zu gewinnen, wie es dem 29-jährigen französischen Dirigenten Lionel Bringuier gelang, will was heißen. Mit energievoller Übersicht gestaltete der Jungmaestro, schon Chefdirigent beim Tonhalle-Orchester Zürich, den Spannungsbogen von "Le tragédie de Salomé": ein fabelhafter Sinn für das Oszillieren der Klangfarben, ein sicheres Gefühl für das Stauen von Energieströmen, das gezügelte Steigern bis zur Explosion - all das beherrscht Bringuier souverän. Also pulsierte und zuckte diese in ekstatischer Katastrophe endende Musik von 1910 wie ein vielgestaltiges Lebewesen, zog sich drohend ins Leise zusammen und expandierte dann in wüsten Farberuptionen - aufregend, packend.

Lust auf Extreme: Wer Igor Levits Verinnerlichungskraft beim Largo-Beginn in Beethovens 3. Klavierkonzert erlebt hat, weiß, warum der Pianist als eine Großbegabung unserer Zeit gefeiert wird. Levit vertraut nicht Beethoven-Gewissheiten, sondern will erkunden und riskieren bis ins Pianissimoverschwinden hinein, setzt expressive Triller, reizt rhythmische Pointen aus und kann den Klavierklang unerhört färben, atmosphärisch verwandeln bis zur Verfremdung. Manchmal verstellt Levits Forscherdrang noch etwas den Blick aufs Ganze. - Außerdem gab's in der Gasteig-Philharmonie Anton Weberns Passacaglia in klarer Façon und Maurice Ravels "Boléro" um eine entscheidende Prise zu schnell.

© SZ vom 18.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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