Kunstmarkt:Kunst im Käfig

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Ein Jahr lang wurde um das Kulturgutschutzgesetz gestritten, nun ist es beschlossen. Dies sind die wichtigsten Bestimmungen.

Von Anna Blume Huttenlauch

Am Freitag, in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause, hat nun auch der Bundesrat dem Kulturgutschutzgesetz zugestimmt. Damit ist das wichtigste und umstrittenste kulturpolitische Projekt dieser Legislaturperiode beschlossen. Spätestens am 1. August tritt das Gesetz in Kraft. Auf den Kunsthandel, der erbittert dagegen gekämpft hatte, kommen nun erhebliche Erschwernisse zu. Viele der praktischen Konsequenzen des Gesetzes sind noch gar nicht absehbar. Einzelne Bundesländer hatten vor der Abstimmung vor dem großen bürokratischen Aufwand gewarnt, allerdings ohne Erfolg.

In einigen Punkten bringt die Novelle aber auch Verbesserungen. Sie verringert den Verwaltungsaufwand für Museen bei Ausfuhrgenehmigungen für den internationalen Leihverkehr und schafft bei der Einfuhr das "Listenprinzip" ab. Wir haben die wichtigsten Neuerungen zusammengefasst.

National wertvolles Kulturgut

Das Gesetz versucht sich erstmals an einer Definition von "national wertvollem Kulturgut". "Identitätsstiftend" sind demnach Werke oder Objekte, die für das kulturelle Erbe und die kulturelle Zukunft Deutschlands eine herausragende Rolle spielen. Etwa solche, die die Entwicklung bedeutender Künstler dokumentieren, oder einzigartige Kulturgüter wie das Original einer Komposition. Auch Originale der Technikgeschichte, etwa der erste Ottomotor, gehören dazu. Dabei ist nicht die Nationalität des Urhebers entscheidend, sondern die Beziehung eines Kulturguts zur deutschen Geschichte. Die konkrete Auslegung dieser Definitionen wird Gremien mit Experten aus Museen, Archiven, Bibliotheken, der Wissenschaft, dem Handel sowie Privatsammlern übertragen.

Schutz von Museumsbeständen

Als nationales Kulturgut gelten künftig nicht mehr nur die in die entsprechenden Verzeichnisse eingetragenen Werke, sondern auch alle Bestände öffentlicher Museen und Sammlungen. Werke lebender Künstler können nur mit deren Zustimmung als nationales Kulturgut eingetragen werden, und zwar auch, wenn sie sich als Leihgaben in öffentlichen Sammlungen befinden.

Abwanderungsschutz

Für die Ausfuhr national wertvollen Kulturguts gelten besondere Regeln. Die Genehmigung zur vorübergehenden Ausfuhr ist relativ leicht zu erhalten. Voraussetzung ist lediglich, dass eine unbeschädigte und fristgerechte Rückkehr des Gegenstands gewährleistet wird. Die Genehmigung wird in dem Bundesland beantragt, in dem das Kulturgut eingetragen ist bzw. in dem es sich befindet.

Für die dauerhafte Ausfuhrgenehmigung ist das Bundeskulturministerium (BKM) zuständig. Vor seiner Entscheidung konsultiert das BKM die zuständige Landesbehörde sowie ein Sachverständigengremium. Grundsätzlich genehmigt wird nur die Ausfuhr NS-verfolgungsbedingt entzogener Werke zu Restitutionszwecken. In allen anderen Fällen wird geprüft, ob "wesentliche Belange des deutschen Kulturschutzes überwiegen". Ist dies nach Ansicht des BKM der Fall, wird die Genehmigung versagt. In diesem Fall kann der Eigentümer beantragen, dass unter Leitung der Kulturstiftung der Länder ein Ankauf durch eine staatliche Einrichtung geprüft wird. Dafür haben die Behörden zwölf Monate Zeit. Wird dem Eigentümer ein Ankaufsangebot gemacht, hat er sechs Monate Zeit, dieses anzunehmen. Entscheidet er sich gegen den Verkauf, kann er erst nach fünf Jahren einen erneuten Antrag auf eine Ausfuhrgenehmigung stellen.

Negativattest

Der Eigentümer eines Kunstwerks kann sich in einem Verwaltungsverfahren ein sogenanntes Negativattest ausstellen lassen - eine Bestätigung, dass sein Kulturgut nicht die Voraussetzungen für die Eintragung in ein Verzeichnis nationalen Kulturguts erfüllt. Händler können so vor einem geplanten Verkauf die Ausfuhrmöglichkeit eines Kulturguts klären.

Eintragungsverfahren

Die Voraussetzungen und das Verfahren einer Eintragung in Verzeichnisse national wertvollen Kulturguts werden genauer als bisher geregelt. So gilt für die Landesbehörde nun eine Frist von sechs Monaten, innerhalb der sie entscheiden muss. Tut sie dies nicht, gilt das Eintragungsverfahren als beendet - ohne Eintragung.

Ausfuhrkontrolle

Auch für andere Kulturgüter gelten neue Regeln. Bisher war für bestimmte Kulturgüter lediglich bei der Ausfuhr in Nicht-EU-Staaten eine Genehmigung nötig. Das neue Gesetz macht auch die Ausfuhr in EU-Länder genehmigungspflichtig, sofern die Werke bestimmte Wert- und Altersgrenzen überschreiten.

Gemälde: ab einem Alter von 75 Jahren und ab einem Wert von 300 000 Euro.

Aquarelle, Gouachen, Pastelle, Skulpturen, Kopien: 75 Jahre, 100 000 Euro.

Fotografien, Filme, Radierungen, Lithografien, Mosaike: 75 Jahre, 50 000 Euro.

archäologische Gegenstände, Bestandteile von Kunst- und Baudenkmälern: 100 Jahre, keine Wertgrenze.

Archive mit Archivalien, die älter sind als 50 Jahre: 50 000 Euro.

Die Genehmigung wird erteilt, wenn kein Ausfuhrverbot vorliegt, d.h insbesondere wenn kein Verfahren zur Eintragung in ein Verzeichnis national wertvollen Kulturguts läuft und wenn es keine Anhaltspunkte gibt, dass das Kulturgut illegal nach Deutschland eingeführt worden ist. Strengere Maßstäbe gelten für die Ausfuhr national wertvollen Kulturguts.

Antragsverfahren

Die Ausfuhrgenehmigung wird bei der zuständigen Behörde des Bundeslands beantragt, in dem sich das Werk befindet. Diese muss innerhalb von zehn Tagen entscheiden. Geschieht dies nicht, muss der Händler mit verwaltungsrechtlichen Mitteln vorgehen.

Einfuhrkontrolle

Auch die Einfuhrkontrolle für Kulturgüter wird verschärft. Museen, die Ausstellungsleihgaben oder Händler, die Kunstwerke zu Handelszwecken ins Land holen, müssen Ausfuhrgenehmigungen des Herkunftsstaates beibringen. Handel und Museen wird damit eine komplexe Prüfung der rechtmäßigen Ausfuhr aus dem Herkunftsland abverlangt; bei Kulturgütern aus Nicht-EU-Ländern prüft der Zoll. Dazu wird es notwendig sein, das vom BKM in dem Gesetz geplante Internetportal auszubauen, um Händlern die gebotene Hilfestellung zu leisten, und Zollbeamte ausreichend zu schulen.

Internationaler Leihverkehr

Internationale Leihgeber sollen ihre Werke auch weiterhin nach Deutschland geben und nicht fürchten müssen, ihre Leihgaben könnten dort beschlagnahmt oder in Kulturgutlisten eingetragen werden. Dazu wird die sogenannte Rückkehrklausel eingeführt: Museen können sich für Leihgaben, die sich schon länger als fünf Jahre außer Landes befinden, zusichern lassen, dass diese bei ihrer Rückkehr nach Deutschland nicht in Kulturgutverzeichnisse eingetragen werden (und daher auch wieder ausgeführt werden können), obwohl sie nationales Kulturgut darstellen. Voraussetzung ist allerdings, dass die deutsche Öffentlichkeit mindestens fünf Jahre lang von dem Gegenstand profitiert, entweder durch dessen Ausstellung in einem Museum oder durch seine Verwendung für Forschungszwecke.

Rückgabezusage

Wie schon bisher können sich Leihgeber aus dem Ausland zudem auch gegen Rechtsansprüche oder Vollstreckungsmaßnahmen in Deutschland absichern: Durch die ,Rückgabezusage' ist ihre Leihgabe während des Aufenthalts im deutschen Staatsgebiet "immun" gegen staatlichen Zugriff. Den Antrag stellt die entleihende Einrichtung bei der obersten Landesbehörde. Typischerweise wird die Zusage vor der Einfuhr erteilt. Sie kann für maximal zwei Jahre verlängert werden, während sich die Leihgabe bereits im Bundesgebiet befindet. Wird die Leihgabe an mehreren Orten präsentiert oder verwendet, bedarf es dennoch nur einer Rückgabezusage.

Es ist zweifelhaft, ob die Rückgabezusage Kunstmessen und Auktionshäusern helfen wird, wie von Befürwortern des Entwurfs behauptet. Sinn solcher Rückgabezusagen an ausländische Leihgeber ist in erster Linie, Ausstellungen in deutschen Museen mit wichtigen Leihgaben bestücken zu können. Für den Markt wird die maximale Gültigkeitsdauer von zwei Jahren oft zu kurz sein.

Sorgfaltspflichten

Zur Eindämmung des illegalen Handels mit Kulturgut sind Sorgfaltspflichten für den Kunsthandel im Gesetz definiert. Wer gegen diese verstößt, riskiert Schadensersatzpflichten und empfindliche Bußgelder. In manchen Fällen macht er sich sogar strafbar. Bevor ein Verkäufer Kulturgut in den Verkehr bringt, muss er prüfen, ob dieses illegal ausgegraben, unrechtmäßig eingeführt oder dem Eigentümer auf andere Weise "abhandengekommen" ist.

Erleichterungen gelten für Künstler, die ihre Werke selbst in den Verkehr bringen, darunter auch Galerien, die Werke direkt vom Künstler erworben oder in Kommission genommen haben.

Generell ausgenommen sind Münzen sowie nicht-archäologisches Kulturgut unter einem Wert von 2500 Euro. Die Wertschwelle für archäologische Objekte wurde dagegen im Vergleich zu früheren Versionen des Gesetz auf Null heruntergesetzt. Das soll verhindern, dass Händler archäologische Fundstücke zerschlagen, um dann die Fragmente zu verkaufen.

Aufbewahrungsfristen

Die Aufbewahrungs- und Dokumentationspflichten gelten künftig für 30 statt wie bisher zehn Jahre. Stichtag ist das Inkrafttreten des Gesetzes, vorher gemachte Aufzeichnungen sind nicht betroffen, es sei denn, diese sind für die Provenienz wichtig. Die Unterlagen können auch elektronisch vorgehalten werden. Bei Verstößen drohen gewerberechtliche Sanktionen. Händler sollten zudem ihr Eigeninteresse an der Erfüllung dieser Pflichten beachten: Sorgfältige Aufzeichnungen könnten im Rahmen möglicher Haftungsprozesse zur Entlastung beitragen.

© SZ vom 09.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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