Kunstmarkt:Höhenflug des Dollars

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Ein Rückblick auf die Auktionen der Saison. Teil 1: Moderne und Zeitgenossen. Von teurer Kunst und preisbewussten Bietern.

Von Dorothea Baumer

Auch an Rekorde gewöhnt man sich, jedenfalls dann, wenn sie im Turbotakt aufgestellt und ebenso rasch gebrochen werden, wie das bei den Auktionsgiganten inzwischen mit schöner Regelmäßigkeit geschieht. Was sich allerdings in den New Yorker Frühjahrsauktionen im Mai abspielte, sprengte dann doch jegliche Routine. Christie's brachte mit seiner Sonderauktion "Looking Foreward Into the Past" - einem 35-Lose-Exklusivangebot für die Reichsten dieser Welt, von Claude Monet bis Picassos Delacroix-Paraphrase "Les femmes d'Alger" und Giacomettis Zwei-Meter-Bronze "L'homme au doigt" -, brachte den Saal zum Beben, spielte an diesem einzigen Abend 705,9 Millionen Dollar ein, zusammen mit der regulären Auktion 1,36 Milliarden.

Picassos Haremsdamen sind seither mit knapp 180 Millionen Dollar das teuerste versteigerte Gemälde, Giacomettis "Zeigender Mann" mit 141,3 Millionen die teuerste Skulptur. Für den Einlieferer des Gemäldes, der für das Bild 1997 31,9 Millionen Dollar bezahlte, ein erfreulicher Gewinn von 462 Prozent; für kritische Ökonomen ein Beispiel des astronomischen Preisanstiegs, der exemplarisch die von ihnen konstatierte zunehmende globale Ungleichheit spiegelt.

Die Preise für Kunst spiegeln die zunehmende ökonomische Ungleichheit

Auch deutsche Kunstwerke gehörten zur Offerte: Sigmar Polkes "Dschungel"-Bild aus der Sammlung Dürckheim, das 2011 mit einem Rekordpreis von 9,2 Millionen Dollar Schlagzeilen machte, kostete nach schnellem Wiederverkauf, dem "flipping", knapp 30 Millionen Dollar.

Ein widersprüchlicheres Bild zeichneten indes die Londoner Auktionen impressionistischer, moderner und zeitgenössischer Kunst im Juni. Zwar wurden auch hier hohe Summen eingespielt, dank asiatischen Engagements auch einige Spitzenpreise erzielt, doch die Bieter blieben wählerisch, das Geschehen eher unspektakulär. Sotheby's spielte mit seiner hochkarätigen Offerte 178 Millionen Pfund ein. Christie's mit 71 Millionen nur die Hälfte.

Mit 24,5 Millionen Pfund wurde Klimts Portrait der 19-jährigen Gertrud Loew zum zweitteuersten Gemälde des Künstlers. Für Edgar Degas' kleine bronzene Tänzerin bezahlte ein Liebhaber einen neuen Rekordpreis von 15,9 Millionen Pfund. Auch ein erstes Werk aus Cornelius Gurlitts Kunstlager kam zum Aufruf: Max Liebermanns Gemälde "Zwei Reiter am Strand", ein gutes, kein großes Werk, angesetzt mit 350 000 bis 550 000 Pfund, das bis auf 1,9 Millionen gehoben wurde. Kasimir Malewitschs durch Preisgarantie abgesicherte "Suprematistische Komposition" bot dagegen wenig Anreiz und erreichte mit brutto 21,5 Millionen Pfund nur knapp die untere Taxe. Das Fazit bei den Zeitgenossen: hohe Umsätze und markante Rückgänge. Floppten bei Christie's vier von fünf Richter-Bildern, ging bei Sotheby's Francis Bacons ehrgeizig taxiertes Papstbild unter. So wurde - mit knapp 21 Millionen Pufund Andy Warhols "One Dollar Bill" das Spitzenlos der Woche.

Teure Kunst und preisbewusste Bieter. Solide und nur in Ausnahmen euphorisch ging es in der vergangenen Saison in den deutschen Häusern zu. Die moderne und zeitgenössische Kunst entfaltete auch hier die stärkste Dynamik. So fuhren Köln, Berlin und München gute bis sehr gute Ergebnisse ein. Lempertz startete Ende Mai mit einem Moderne-Angebot, dessen Spitzenlose überzeugten, wenn auch nicht über die Maßen begeisterten. Nun zählen Werke des deutschen Expressionismus noch immer zu den höchst dotierten Losen, aber das Steigerungspotenzial hält sich in Grenzen.

So erreichte Max Pechsteins Landschaft "Herbstwolken" mit einem Hammerpreis von 350 000 Euro gerade einmal die untere Taxe. Eine doppelseitige Leinwand Alexej von Jawlenskys, mit Gartenbild und Mädchenportrait und einer Taxe von 450 000 bis 550 000 wurde bereits bei 440 000 zugeschlagen. Das war symptomatisch und wiederholte sich auch in anderen Häusern. Die Preise expressionistischer Bilder, wenn es sich nicht um Ausnahmestücke von musealer Qualität handelt, erscheinen seit Jahren ausgereizt, zudem tendiert der Sammlergeschmack mehr und mehr ins Zeitgenössische.

Nam June Paiks Videoinstallation "Temple Guards" und Heinz Macks frühe Zero-Arbeit aus der Serie "Dynamische Strukturen" führten bei Lempertz als Hauptlose diese Sparte an, blieben zunächst im Vorbehalt stecken und wurden später mit 380 000 und 360 000 Euro bestätigt. Gerhard Richter blieb teuer, sein "Grün-Blau-Rot"-Bild kostete 422 000 Euro. Bemerkenswerte Preiskarrieren legten Arbeiten von Isa Genzken hin: Ihr Reliefbild verdreifachte die Taxe und stieg auf 114 000 Euro. Für Karin Kneffels zweiteiliges Traubenbild war sogar ein Rekordpreis von 322 000 Euro fällig.

Noch deutlicher zugunsten der zeitgenössischen Kunst schlug das Pendel beim zweiten Kölner Haus, Van Ham, aus, wo man nur über eine schmale Moderne-Offerte verfügte. Heinz Macks Zero-Arbeit "Dynamische Strukturen in Schwarz" von 1962 sorgte hier für einen Rekord (482 500), auch Konrad Klaphecks Fahrradzeichnung "Schicksal" landete bei hohen 281 600 Euro. Das reichte schon für die bislang erfolgreichste Frühjahrsauktion des Hauses. Dazu gesellte sich ein weiterer Neun-Millionen-Umsatz der Achenbach-Auktion mit über 2300 Kunstwerken - ein Sensationserfolg auf ganzer Linie.

Nach Berlin richteten sich Anfang Juni die Blicke, wo diesmal in der prestigeträchtigen Abendauktion weniger Hochkarätiges aufgeboten war und die Steigerungen, von Ausnahmen abgesehen, übersichtlich blieben. Die Ergebnisse waren dennoch sehr gut. Das Titellos, Van Goghs sprödes, weniger attraktives, mit 600 000 bis 800 000 Euro geschätztes Frühwerk "Kopf einer Bäuerin" schaffte zur allgemeinen Erleichterung die untere Taxe und zieht für 745 000 Euro in eine kalifornische Sammlung.

Auch Max Pechsteins expressionistische Sommerlandschaft "Ein Sonntag" von 1921 blieb mit 865 000 Euro im Rahmen der Schätzung. Auf die dreifache Taxe gesteigert wurde dagegen Paul Klees Aquarell "Das Haus zum blauen Stern" (745 000). Größter Ausreißer war aber René Magrittes 16 mal 21 Zentimeter kleines Wolkenbild "La malédiction" , das sich ein entschlossener Bieter erstaunliche 865 000 Euro kosten ließ.

Die letzte Versteigerungsrunde moderner und zeitgenössischer Kunst fand in München statt: bei Neumeister, wo man mit niedrigen Taxen lockte und gute Steigerungen notierte (bis 190 500 für eine Schwitters-Collage); bei Karl & Faber, wo eine Pechstein-Strandszene zwar 500 000 brachte, das lebhaftere Geschehen aber die Zeitgenossen provozierten, mit Chamberlain- und Chillida-Skulpturen als Preisspitzen (200 000, 160 000).

Hervorragend lief es bei Ketterer, das die höchsten Zuschläge der Saison verbuchte. Das Pechstein-Bildnis, "Charlotte Cuhrt", im Februar in London durchgefallen, brachte hier 825 000 Euro. Wahre Triumphe aber feierten Werke der Nachkriegskunst, allen voran Zero-Arbeiten von Günther Uecker. Sein Nagelbild "Hommage à Paul Scheerbart" aus den späten Sechzigern wurde mit 300 000 Euro aufgerufen und mit brutto fast 1,9 Millionen zugeschlagen. Ein früher weißer "Concetto spaziale, Attesa" von Lucio Fontana folgte mit brutto 1,5 Millionen, weitere Uecker-Bilder im Halbmillionenbereich, ein Jan Schoonhoven-Relief, eine "Superficie Bianca" des allgegenwärtigen Enrico Castellani mit je 450 000 Euro. Mit welchem Engagement hier gesteigert wurde, verrät eine simple Zahl: Die Absatzquote nach Wert betrug 152 Prozent. Beste Voraussetzungen also für einen heißen Herbst.

Ein Rückblick auf die Auktionen für Alte Kunst folgt in der Ausgabe vom 1. August.

© SZ vom 18.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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