Ausstellung in Teheran:Künstlerisches Hin und Her mit Iran

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In Berlin wurde sie abgesagt, seit Dienstag ist die Farah-Diba-Kunstsammlung in Teheran zu sehen. Und vielleicht kommt sie doch noch nach Deutschland.

Von Xifan Yang

Kurz nach Mitternacht am Dienstag erreichte den Präsidenten der Preußischen Kulturstiftung Hermann Parzinger eine Mail aus Iran. Das Teheraner Museum für Zeitgenössische Kunst lud ihn darin noch für denselben Tag um 17 Uhr Ortszeit zu einer Ausstellungseröffnung mit ausgewählten Bildern der Farah-Diba-Sammlung ein. Genau jene 60 Bilder, darunter millionenschwere Hauptwerke von Picasso und Rothko, sollten nun also im Iran gezeigt werden, auf deren Eintreffen Berlin seit Monaten vergebens wartete, bis Parzinger schließlich die spektakulär angekündigte Ausstellung in der Gemäldegalerie kurz vor Weihnachten vorerst absagen musste.

Vieles spricht dafür, dass die eilig anberaumte Ausstellung ein politisches Signal ist

Bis zum Schluss hatte das Kulturministerium in Teheran weder die Ausfuhrgenehmigung für die Bilder erteilt noch erklärt, woran es genau hakte. Wahrscheinlich gab es innenpolitische Gründen: Im Mai wird im Iran gewählt. Es heißt, Präsident Rohani wollte weiteren Diskussionen um den zuletzt stark politisierten Verleih der Bilder aus dem Weg gehen. Nicht nur Konservative hatten sich gegen das deutsch-iranische Projekt gestellt, auch aus der Künstlerszene in Teheran kam Kritik: Warum sollten Ausländer in Europa die Bilder zuerst sehen dürfen und nicht die Iraner selbst? Sogar Gerüchte, dass die Regierung einen dubiosen Deal mit den Deutschen eingegangen sei und die Werke nie wieder zurückkommen würden, machten die Runde. "Als das Projekt nicht zustande kam, waren wir trotzdem alle sehr enttäuscht", sagt Faryar Jarvaherian, eine frühere TMoCa-Mitarbeiterin, der SZ am Telefon.

Auf der Einladung, die auch Gäste aus der einheimischen Kunstszene in letzter Minute bekamen, kündigte das Teheraner Museum die 60 Kunstwerke nun dennoch als "Berlin Rome Travellers" an. Bemerkenswert ist, dass als Motiv sowohl für die Einladung als auch für öffentliche Plakate in Teheran das Ölgemälde "Trinidad Fernandez" des niederländischen Fauvisten Kees Van Dongen ausgewählt wurde. Auf dem Bild aus dem Jahre 1910 ist eine junge Spanierin mit rotem Halstuch zu sehen, ihr braunes Haar trägt sie offen. Eine Westlerin ohne Kopftuch - ist das schon ein Symbol kultureller Öffnung? Ein Signal, dass Teheran die Berliner Ausstellung nun doch will? Für nichtig erklärt wurde der Kooperationsvertrag von iranischer Seite aus nie, auch die Preußische Kulturstiftung ließ die Tür einen Spalt weit offen.

Aber natürlich gibt es Tabus. So bleibt ein Triptychon von Francis Bacon heikel. Der Mittelteil, auf dem zwei nackte Männer eng umschlungen auf einem Bett liegen, fehlte bei der Eröffnung. Alle anderen 29 westlichen Bilder können bis zum 16. Juni in Teheran unzensiert gezeigt werden. Vieles spricht dafür, dass die plötzlich ermöglichte Ausstellung in den eigenen Wänden nun in zweierlei Hinsicht ein politisches Signal, wenn nicht gar ein geschickter Schachzug ist: ein Wink an die Deutschen, dass nach der Wahl im Mai wieder alles möglich ist. Zum anderen scheint man den Kritikern im Iran den Wind aus den Segeln nehmen zu wollen, indem man der einheimischen Bevölkerung kurz vor Beginn des persischen Neujahrsfestes Nouruz am 21. März ein Zugeständnis macht.

Bei der Vernissage in Teheran am Dienstag kurz vor Redaktionsschluss sprach der kürzlich abgesetzte Museumsdirektor Majid Mollanoroozi jedenfalls in größter Selbstverständlichkeit davon, dass die Bilder "bald" nach Berlin verschifft würden. Mahdi Hosseini, einer der Kuratoren, beschwichtigte Kritiker der Kooperation und versicherte, in Europa werde man mit größter Sorgfalt auf die Werke aufpassen. In Künstlerkreisen in Teheran ist die Rede davon, dass das Kabinett die Ausfuhrgenehmigung für die Werke nun angeblich für den Sommer erteilen will.

Monatelanges Verschieben und Hinhalten, jetzt doch ein Signal der Bereitschaft, noch ohne Verbindlichkeit - worauf kann sich die deutsche Seite noch verlassen? Und will man mit so einem erratischen Partner überhaupt eine Zusammenarbeit eingehen? "Wir waren uns der Risiken eines solchen Projektes von Anfang an bewusst", sagt Hermann Parzinger gegenüber der SZ. Beide Museen in Berlin und Teheran hofften nach wie vor stark auf das Zustandekommen des Verleihs.

Die Deutschen müssten nun offen bleiben. Sollte das Kulturministerium die Teheraner Ausstellung aufgrund heimischer Kritik ermöglicht haben, wäre dies ein "positives Zeichen für die iranische Gesellschaft". Erst aber, wenn die Iraner verbindlich die Ausfuhrgenehmigung erteilen, könne der alte Vertrag reaktiviert werden. Bis dahin werde man noch einige Male nach Teheran fahren müssen und sehr viel Tee trinken. An der Vernissage nahmen 300 Gäste teil, darunter der deutschen Botschafter, prominente iranische Intellektuelle und viele Kunststudenten. Hermann Parzinger hätte es selbst dann nicht mehr rechtzeitig zur Eröffnung geschafft, wenn er am Dienstagmorgen den ersten Flieger genommen hätte. "Heute ist dieses Morgen, über das wir uns gestern Sorgen machten", lautet ein persisches Sprichwort. Das iranische Zeitverständnis ist ein stochastisches, immer eine Annäherung ans Mögliche.

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Von Kia Vahland

Wie auch immer der Krimi ausgeht: Was im Iran heute Ja heißt, kann morgen Nein bedeuten. Und umgekehrt.

Mitarbeit: Hamid Ebrahimzadeh

© SZ vom 08.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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