Kunst:Hito Steyerl zur einflussreichsten Person im Kunstbetrieb gekürt

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Die deutsch-japanische Videokünstlerin Hito Steyerl wurde vom britischen Magazin "ArtReview" zur wichtigsten Person der Kunstwelt gewählt. (Foto: dpa)

Als erste Frau hat das Kunstmagazin "ArtReview" die deutsche Künstlerin Hito Steyerl auf Platz eins seiner internationalen Rangliste "Power of 100" gesetzt - eine durchaus politische Entscheidung.

Von Peter Richter

Die 1966 in München geborene Künstlerin Hito Steyerl ist vom Kunstmagazin ArtReview in diesem Jahr auf Platz eins seiner Rangliste "Power 100" gesetzt worden. Das bedeutet, dass Steyerl, als erste Frau in der Geschichte dieser Liste, von einer anonymen Expertenjury zur einflussreichsten Person im Kunstbetrieb gekürt worden ist.

Das ist, einerseits, erfreulich. Es wirft aber auch die Frage auf, inwieweit das tatsächlich ein objektivierbarer Fakt ist oder eher ein Wunsch.

In der Lesart des Magazins wurde dieser Einflussreichtum schon auch teilweise empirisch ermittelt. So seien unter anderem jüngere Künstler befragt worden, an wem sie sich in ihrer Praxis orientieren. Und nach so einem Kriterium rutscht dann eben offenbar selbst ein bisher so omnipräsenter Großverdiener wie Damien Hirst auf einmal von der Liste, während eine Videokünstlerin an die Spitze rückt, die man lange eher in örtlichen Kunstvereinen als auf den großen Kunstmessen dieser Welt - Hito Steyerl lässt sich nicht einmal von einer Galerie vertreten - und eher im theorieaffinen Umfeld der Zeitschrift Texte zur Kunst als auf internationalen Blockbuster-Schauen wahrnehmen konnte.

Hito Steyerl war von Anfang an eine sehr politische Künstlerin

Aber es stimmt schon, dass man Hito Steylers Arbeiten in letzter Zeit sehr häufig und an prominenten Orten begegnete. Bei der Biennale von Venedig beschäftigte sie im Deutschen Pavillon nicht zuletzt jüngere Besucher vor zwei Jahren mit etwas, das wie ein gigantisches Videospiel aussah, aber keines war, und bei den Skulptur Projekten in Münster konnte man diesen Sommer ein Video über Roboter von ihr sehen, das den Bogen schlägt zu Platz 3 auf der diesjährigen "Power 100"-Liste, zu der amerikanischen Wissenschaftshistorikerin Donna Haraway, die schon früh die Verschmelzung von Mensch und Maschine vorausgesagt hatte.

Oder da war vor zwei Jahren unter dem Titel "Duty-free art" diese Ausstellung im Centro de Arte Reina Sofía in Madrid, bei der Steyerl die dunklen Steuerpraktiken des Kunstmarkts mit ihren mysteriösen Lagerhallen in den Freihäfen dieser Welt behandelte.

Von einer bewussten Kür muss man aber trotzdem sprechen. Denn wie jede Jury, also nicht anders als bei Literaturnobel- oder selbst Journalistenpreisen, versucht auch diese hier, politische Kommentare zur Gegenwart abzugeben - durchaus im Sinne sich selbst erfüllender Prophezeiungen; die ArtReview gibt das offen zu.

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Da Hito Steyerl von Anfang an eine sehr politische Künstlerin war, ist das in diesem Falle doppelt deutlich. Sie wird hier dezidiert als Künstlerin gerühmt, die die Machtstrukturen im Kunstbetrieb ins Visier nimmt und zerlegt. Die Strukturen, die zu "Power 100"-Listen führen, wären so gesehen vielleicht auch mal eine ihrer Arbeiten wert.

© SZ vom 04.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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