Kulturpolitik:Warschaus Welt

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Katarzyna Wielga-Skolimowska leitete das polnische Kulturinstitut in Berlin drei Jahre lang. Jetzt wird sie zum Opfer eines Kampfes gegen eine angebliche "Pädagogik der Scham". (Foto: imago/Florian Schuh)

Die Leiterin des polnischen Kulturinstituts in Berlin wird abberufen, weil sie "jüdischen Themen zu viel Aufmerksamkeit widmete". Die konservative Regierungspartei bringt Schritt für Schritt Kultureinrichtungen auf Linie und diktiert die Weltanschauung.

Von Lukas Latz

Im Wahlkampf 2015 forderte Jarosław Kaczyński, der Vorsitzende der rechtskonservativen Partei Pis, dass Hollywood einen monumentalen Heldenfilm über den Rittmeister Witold Pilecki drehen sollte, einen polnischen Widerstandskämpfer gegen die deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg, der 1948 von den Kommunisten hingerichtet wurde. Diese Forderung, hinter der sich ein nationalistischer Minderwertigkeitskomplex vermuten lässt, wurde in liberalen Medien damals stark belächelt. Seitdem die Partei in Warschau in der Regierung ist, arbeitet sie aber tatsächlich sehr hart daran, die polnische Kulturdiplomatie nach ihren Vorstellungen zu prägen. In den letzten Tagen wurden gleich drei Direktoren der 25 polnischen Kulturinstitute im Ausland, die das Außenministerium betreibt, beurlaubt, und zwar trotz laufender Verträge: Katarzyna Wielga-Skolimowska in Berlin, Agata Grenda in New York, Roland Chojnacki in Delhi.

Der polnische Botschafter in Berlin, Andrzej Przyłebski, erklärte dazu in einer Stellungnahme gegenüber der Tageszeitung Gazeta Wyborcza , dass Katarzyna Wielga-Skolimowska "jüdischen Themen zu viel Aufmerksamkeit widmete". Bei diesem Thema dürfe man "vor allem Deutschland nicht die Rolle eines Vermittlers im polnisch-jüdischen Dialog geben".

Die Pis wirft den liberalen Eliten vor, eine "Pädagogik der Scham" zu verbreiten. Mit diesem Schlagwort wird liberalen Intellektuellen in Polen vorgehalten, dass sie die ländliche Bevölkerung Polens für dumm und ungebildet hielten und dass sie in der Geschichte Polens auch auf jene Fälle hinweisen, in denen Polen Verbrechen begangen haben, wie etwa bei dem antisemitischen Pogrom von Kielce im Jahr 1946. Der polnischen Zeitung Gazeta Wyborcza liegen Leitlinien vor, nach denen die Kulturinstitute im Ausland fortan ihr Programm zu koordinieren haben. Es soll in erster Linie um die Verbreitung polnischer Geschichte und polnischen politischen Denkens gehen. Dies wird noch einmal expliziert: Vor allem soll es um die Verbreitung des politischen Denkens von Lech Kaczyński gehen, dem früheren Staatspräsidenten und Zwillingsbruder von Jarosław Kaczyńki, der 2010 beim Flugzeugabsturz von Smolensk ums Leben kam. Zudem wird die "Eliminierung schadhafter, fehlerhafter Erinnerungscodes" angestrebt, die Bekämpfung von Vorurteilen über Polen und die polnische Geschichte im Zweiten Weltkrieg. In den Leitlinien werden neun historische Persönlichkeiten aufgeführt, an deren Verdienste besonders erinnert werden soll. Davon sind fünf Geistliche, etwa der in Auschwitz ermordete Priester Maksymilian Kolbe. Auf der Prioritätenliste werden Kunst und Kultur gar nicht ausdrücklich genannt. Als eine der Aufgaben für die ausländischen Kulturinstitute wird lediglich die "Unterstützung des Potenzials von kreativen Polen" genannt. Schon im Frühjahr hatte es einen Skandal gegeben, als die Schriftstellerin Olga Tokarczuk zum PEN World Voices Festival in New York eingeladen wurde und der polnische Staat ihren Flug nicht bezahlen wollte. Eine wichtige Rolle in der Kulturdiplomatie spielt das polnische "Buch-Institut", das seit Frühjahr ebenfalls einen neuen Chef hat. Es vergibt Förderungen für die Übersetzung polnischer Literatur an ausländische Verlage. Beobachter befürchten, dass eine schwarze Liste angelegt werden könnte mit Autoren, deren Übersetzungen nicht mehr gefördert werden sollen, weil sie "unpolnisch" seien. Zu denjenigen, deren Übersetzungen nach Ansicht polnischer Kulturschaffender nicht mehr gefördert werden könnten, gehören Olga Tokarczuk und Andrzej Stasiuk. Das von Stasiuk und der Verlegerin Monika Sznajderman organisierte Zygmunt-Haupt-Festival erhielt in diesem Jahr keine staatlichen Mittel mehr. Es wurde im vergangenen Jahr zum ersten Mal durchgeführt.

© SZ vom 08.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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