Kulturpolitik:Optimistisch und kollegial

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Sie heißt Françoise Nyssen, leitet den Verlag Actes Sud und ist eine Politik-Novizin. Emmanuel Macron hat sie deshalb zu Frankreichs Kulturministerin gemacht.

Von Joseph Hanimann

Sie gehört zu jenen neuen französischen Ministern, die wegen ihrer politischen Unerfahrenheit in die Regierung geholt wurden. Berufserfolge zählen für den Staatspräsidenten Macron doppelt so viel wie politische Erfolge. Und an beruflicher Leistung hat die neue Kulturministerin Françoise Nyssen einiges vorzuweisen. Der Verlag Actes Sud, den sie seit Ende der Achtzigerjahre leitet, ist einer der angesehensten unter den Literaturverlagen.

Dabei war das Verlagswesen nicht das ursprüngliche Berufsziel der 1951 in Belgien geborenen Molekularbiologin, die auch Stadtplanung studiert hat und im belgischen Umweltministerium arbeitete. Bald stieg sie in den 1978 von ihrem Vater Hubert Nyssen in Arles gegründeten Verlag Actes Sud ein, den sie zusammen mit ihrem Mann und einem weiteren Partner kollegial leitet. Es ist das einzige französische Haus von internationaler Bedeutung, das sich in der Provinz halten konnte, mit einer Zweitniederlassung allerdings auch in Paris. Der Jahresumsatz von gut 80 Millionen Euro liegt zwar weit unter der Größenordnung von Hachette oder der Gallimard-Gruppe. Actes Sud steht aber für eine geschickte Mischung aus Originaltexten und Übersetzungen, Anspruchsvolles und Eingängiges, nicht zuletzt für ein ausgesprochen angenehmes Hausklima, das die Autoren zum Bleiben veranlasst. Paul Auster, Laurent Gaudé, Alice Ferney und Olivier Py oder auch Giulia Enders mit ihrem Bestseller "Darm mit Charme" gehören zu den Hausautoren.

Françoise Nyssen entspricht in vielem genau dem, was der junge französische Staatspräsident an Qualitäten für die Erneuerung in seinem Land sucht. Sie scheut sich nicht, in die öffentliche Diskussion einzugreifen, trägt aber kein politisches Etikett zur Schau. In schweren Prüfungen verstand sie überdies, Mut zu beweisen. Nach dem Selbstmord eines ihrer Söhne vor fünf Jahren gründete sie bei Arles eine am Modell Rudolf Steiners orientierte Schule für Kinder mit Lernproblemen. Mit Einfallsreichtum und Tatentschlossenheit hebt sie sich von der Neigung ihres Berufsmilieus ab, sich dem sanften Reiz des Klagens hinzugeben.

Für Françoise Nyssen ist Optimismus das beste Mittel gegen die Krise

Bei den Präsidentschaftswahlen vor zehn Jahren unterstützte Frau Nyssen die sozialistische Kandidatin Ségolène Royal. Diesmal warb sie "mit Entschiedenheit und Freude" für Emmanuel Macron, denn Optimismus sei das beste Mittel gegen die Krise, und als Verlegerin wisse sie, was Abriegelung gegen außen bedeuten würde. Actes Sud unterhält originelle Partnerschaften zu Verlagen südlich des Mittelmeers. Dies erlaubte etwa im Fall des Autors Kamel Daoud, ihn durch Aufnahme ins eigene Programm in Europa bekannt zu machen, ohne ihn deshalb seinem ursprünglichen Verleger in Algerien auszuspannen.

Im französischen Kulturministerium haben neben den Politikern auch schon mal ein Schriftsteller wie André Malraux oder ein Filmautor wie Frédéric Mitterrand das Zepter geführt. Nie bisher aber ein Verleger. Nach den Präsidenten Sarkozy und Hollande, von denen das Prestigeministerium eher als politischer Verschiebebahnhof benützt wurde, scheint unter der neuen Präsidentschaft Kultur wieder wichtiger zu sein und, so ist zu hoffen, die Amtszeit dort nicht nach der Agenda der politischen Opportunitäten bemessen zu werden. Das Versprechen Macrons vor der Wahl, den Kulturhaushalt nicht anzutasten, ist nur die erste Voraussetzung dafür.

© SZ vom 20.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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