Kulturpolitik:Kunstpalast teuer abzugeben

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Der Energiekonzern Eon durfte als Partner des Museums Kunstpalast in bester Lage Düsseldorfs bauen. Jetzt zieht das Unternehmen nach Essen und die Kooperation läuft aus. (Foto: mauritius images/imagebroker/Thomas Robbin)

An Rhein und Ruhr steckten die krisengeplagten Energiekonzerne viel Geld in die Kunst. Würde mit den Sponsoren auch die Kultur sterben? Politiker entdecken jetzt einen neuen Mäzen: den Bürger.

Von Michael Kohler

Am neuen Standort erinnert auf den ersten Blick nichts mehr daran, dass der Energiekonzern Eon einmal die Nähe zur Kunst suchte und sich diese Nähe einiges kosten ließ. Rund 60 Millionen Euro investierte das Unternehmen seit 1998 in den altehrwürdigen, aber damals auch ziemlich maroden Düsseldorfer Kunstpalast und sorgte so dafür, dass aus ihm wieder ein stolzes Museum wurde. Als Gegenleistung durfte Eon seine Verwaltungszentrale einen Steinwurf vom Palast entfernt auf städtischem Grund und Boden bauen. Ein Zeichen der Verbundenheit, sagte man bei Eon. Um zu zeigen, wer Herr im Nachbarhaus ist, sagten die Kritiker der ersten öffentlich-privaten Partnerschaft in der deutschen Museumswelt.

Mittlerweile hat Eon seinem Hauptsitz nach Essen verlegt, aus der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt in die heimliche Hauptstadt des Ruhrgebiets. Statt auf den Kunstpalast blicken die Mitarbeiter jetzt auf Messehallen oder, wenn sie es gut getroffen haben, auf die Autobahn nach Düsseldorf. Vor einigen Wochen verkündete Eon, dass sich der Konzern bis Ende 2017 aus der Finanzierung des Museums Kunstpalast zurückzieht - "unter anderem", wie es in der Mitteilung etwas verschämt heißt, wegen des Umzugs nach Essen. Die anderen Gründe kann man sich denken: Der Energieriese Eon taumelt.

Wenn Unternehmen wie Eon oder RWE ausfallen, sind Museen und Festivals gefährdet

Das ist vor allem ein Problem für die nordrhein-westfälische Wirtschaft. Aber auch eines für die Kulturinstitutionen des Landes, denn ohne die finanzielle Unterstützung von Unternehmen wie Eon oder RWE gerieten viele Museen und Festivals in Schwierigkeiten. Gerade die mit den Bodenschätzen des Ruhrgebiets groß gewordenen Energiekonzerne gehören zu den fleißigsten Kultursponsoren in NRW - und kämpfen derzeit ums langfristige Überleben. Und wenn es RWE schlecht geht, spürt man das im Essener Museum Folkwang doppelt. Weil zum einen weniger Geld vom Unternehmen kommt. Und weil die Stadt Essen an RWE beteiligt ist und die Gewinnbeteiligung dieses Jahr abschreiben kann.

Es ist beinahe tröstlich, dass jetzt im reichen Düsseldorf exemplarisch durchgespielt wird, was das Ruhrgebiet, das sich so gerne durch Kultur neu erfinden würde, viel härter träfe: die Krise des unternehmerischen Mäzenatentums. Bis Ende 2017 steht der Etat des Museums Kunstpalast noch, in den folgenden beiden Jahren will Eon als Sponsor jeweils eine Ausstellung unterstützen. Was danach kommt, weiß heute niemand. Nur eines ist sicher - schließen kann die Stadt das traditionsreiche Museum mitsamt seiner riesigen Sammlung nicht. Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff wüsste, wie es weitergehen soll. Das trifft sich schon deswegen gut, weil Grosse-Brockhoff, der in NRW lange der heimliche Kulturminister war, in seiner Zeit als Düsseldorfer Kulturdezernent die jetzt geschiedene Museumsehe stiftete. Um den Kunstpalast zu retten, brachte er Eon (das damals vor der Fusion mit Viag noch Veba hieß) und die Stadt Düsseldorf an einen Tisch: "Ich wusste, dass ich nicht ohne Partner weiterkomme und dass ich die nur in der Wirtschaft finde." Und Grosse-Brockhoff hatte das Glück, in Ulrich Hartmann einen Konzernchef zu finden, für den Kunst zum Leben und eine Kunstsammlung in jedes große Wirtschaftsunternehmen gehörte. "Hartmann", so Grosse-Brockhoff, "hat die Partnerschaft ziemlich einsam in seinem Konzern durchgezogen." Als der Unternehmensleiter abtrat, gab das der Konstruktion einen Knacks.

"Ich hätte mir längst andere Partner gesucht", sagt Grosse-Brockhoff heute. Er glaubt, dass die große Zeit des unternehmerischen Mäzenatentums vorbei ist, und setzt stattdessen auf bürgerschaftliches Engagement. "Düsseldorf ist dafür prädestiniert, denn Geld ist im Überfluss vorhanden," sagt er. Am liebsten würde er die Stiftung Museum Kunstpalast in eine Aktiengesellschaft umwandeln, an der die Stadt 51 Prozent besitzt und die restlichen, unverzinsten Anteile an eine neue Gründergeneration vergeben werden. "Die Bürger müssen mit in den Entscheidungsgremien sitzen", so Grosse-Brockhoff, "dann benehmen sich die Politiker gleich ganz anders und können mit den Museen nicht so umspringen, wie sie eigentlich wollen." Als Pensionär fällt es Grosse-Brockhoff freilich leicht, von einer mäzenatischen Bürgergesellschaft auf Aktien zu träumen - die meisten Kulturdezernenten in NRW können nicht mehr auf das Sponsorengeld verzichten. Über Jahre hat die Mischkalkulation der Städte bei der Finanzierung ihrer Museen ja auch weitgehend reibungslos funktioniert: Die Kommunen bezahlen den laufenden Betrieb, die in Museumsvereinen und Freundeskreisen engagierten Bürger helfen vor allem bei Ankäufen, und für die Sonderausstellungen springen Stiftungen und private Unternehmen ein. Allerdings zeigt sich derzeit in NRW dramatisch, dass diese Rechnung nicht mehr aufgeht, wenn sich Kommunen nur noch über Nothaushalte finanzieren können. In Leverkusen steht das renommierte Museum Morsbroich zur Disposition - und das, obwohl auch in der Industriestadt Geld im Überfluss vorhanden ist. Nur kommt davon kaum noch etwas in der Kommune an, seit die Bayer AG ihre Gewinne durch Steuerschlupflöcher ins Ausland verschiebt.

Als 1998 über die Stiftung für den Düsseldorfer Kunstpalast verhandelt wurde, war gerade das Modell der "Corporate Citizenship" angesagt. Auch der Eon-Konzern wollte ein guter Bürger sein, der brav seine Steuern zahlt und sich für Kultur und Soziales vor der eigenen Haustür engagiert. "Das Unternehmen", sagt Dorothee Gräfin von Posadowsky-Wehner, Leiterin Kunst und Kultur bei Eon, "war schon immer sehr kulturaffin. Mit dem Museum Kunstpalast sollte diese Verbundenheit institutionalisiert werden." Allerdings habe niemand im Betrieb damit gerechnet, dass es von Beginn an Kritik hageln würde. "Gerade von den Künstlern gab es extremen Widerstand", so von Posadowsky-Wehner, "uns wurde unterstellt, wir würden Einfluss auf das Ausstellungsprogramm des Museums nehmen." Viel Nahrung erhielt diese Befürchtung, als sich Jean-Hubert Martin, Gründungsdirektor des Kunstpalasts, nach seinem Ausscheiden 2006 darüber beklagte, Eon habe zwei Ausstellungen verhindert und die populäre "Bonjour Russland"-Schau gegen seinen Willen durchgesetzt. Ein gelungener Imagetransfer war das Ganze für Eon nicht; selten hat Freigiebigkeit so viel miese PR erhalten.

"In Düsseldorf will sich aktuell eine hemmende, fatale Ratlosigkeit breitmachen"

Gelohnt hat es sich für Eon trotzdem, sagt von Posadowsky-Wehner. "Mal kurz rüber ins Museum gehen zu können, das war für die Mitarbeiter und die Besucher von Eon sehr besonders." Überhaupt soll das Engagement fortgesetzt werden. Eon unterstützt das Klavier-Festival Ruhr, richtete 2015 eine Benefizausstellung für eine Obdachloseninitiative aus und gehörte zu den wichtigsten Sponsoren des Museums Folkwang. Anlässlich des Umzugs schenkt Eon dem Essener Museum eine Ausstellung der Künstlerin Katharina Fritsch und ermöglicht den Besuchern freien Eintritt. Die Zeiten, sagt von Posadowsky-Wehner, in denen Eon siebenstellige Summen für einzelne Ausstellungen ausgab, die seien allerdings vorbei. Der Fokus liege jetzt auf der betriebseigenen Sammlung. Am Museum Folkwang zeigt sich die Verflechtung von Kultur und Industrie im Ruhrgebiet im Übrigen so schön wie in keinem anderen Museum der Region. Die weltberühmte Sammlung geht auf den Bankiers- und Industriellensohn Karl Ernst Osthaus zurück, der seine Heimatstadt Hagen, diesen, so Osthaus, "trostlosen Industriebezirk", Anfang des 20. Jahrhunderts mit Hilfe der Kunst verwandeln wollte; den von David Chipperfield entworfenen Neubau spendierte die Krupp-Stiftung zum Kulturhauptstadt-Jahr 2010; und die Konzerne RWE und Eon wechselten sich bislang verlässlich darin ab, dem Museum Blockbuster-Ausstellungen zu finanzieren.

Dass es dabei bleibt, ist unwahrscheinlich. Bei RWE heißt es, man müsse angesichts des Wandels des Unternehmens "Engagements als Sponsor ständig überprüfen", und auch Folkwang-Direktor Tobia Bezzola klingt wenig optimistisch: "Wenn große Sponsorships, die dem Museum Folkwang hinsichtlich großer Publikumsausstellungen zu Planungssicherheit verhalfen, zur Zeit eher schwierig zu realisieren sind, müssen wir andere Modelle entwickeln." Etwa solche wie den freien Eintritt in die Sammlung, den die Krupp-Stiftung für die nächsten fünf Jahren finanziert.

Am anderen Ende der Autobahn sitzt Beat Wismer, der scheidende Direktor des Museums Kunstpalast. "Noch haben wir Telefon", sagt er scherzend, aber Wismer hat durchaus ernste Bedenken, ob sich die Finanzlücke, die Eon hinterlässt, mithilfe anderer Sponsoren schließen lässt. "In Düsseldorf will sich aktuell eine hemmende, fatale Ratlosigkeit breitmachen", jetzt zeige sich, welche riskanten Folgen es hat, wenn die öffentliche Hand einen Teil der Finanzierung ihrer Kulturinstitute an private Partner abgebe. "Ein privates Unternehmen ist a priori, und das meine ich gar nicht abwertend, langfristig nicht unbedingt ein verlässlicher Partner", so Wismer. Gegen die Unwägbarkeiten des Wirtschaftslebens könne man sich nicht wappnen; 1998 habe niemand Fukushima und die Energiewende voraussehen können.

Beat Wismer muss den Übergang ins Ungewisse moderieren und findet in der Geschichte wenig Hoffnung: Der Kunstpalast hat alle Finanzierungsmodelle ausprobiert und nie wirklich Glück gehabt. Schon die kurfürstliche Kunstsammlung Jan Wellems holten dessen Erben 1805 nach München, wo sie heute den historischen Kern der Alten Pinakothek bildet; als Bürgermuseum konnte der Kunstpalast die Repräsentationsgelüste von Stadt und Land nie wirklich erfüllen; und die öffentlich-private Partnerschaft mit Eon geht in die Brüche. Fürsten gibt es keine mehr. Vielleicht ist jetzt tatsächlich der Bürger dran.

© SZ vom 17.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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