Kulturpolitik:Geschützter Raum

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Nach zwölf Jahren Planung eröffnet das Goethe-Institut seinen Neubau in Kairo. Es sitzt nun nicht mehr im Zentrum der Stadt, signalisiert aber mit seiner Architektur den Willen zum Dialog mit dem Land.

Von Paul-Anton Krüger

Das Klima in Kairo gibt einem manchmal das Gefühl, langsam zu ersticken - was nicht allein am Smog im 25-Millionen-Einwohner-Großraum liegt, sondern am nervösen Sicherheitsapparat. Unabhängige Kulturinitiativen geraten immer stärker unter Druck, Theater und Galerien werden geschlossen, Satiriker und Schriftsteller inhaftiert. Alles was jung, kreativ, anders ist, gilt dem vom Militär dominierten Regime als verdächtig. Man muss das vorausschicken, wenn man einordnen will, was es heißt, dass an diesem Donnerstag das Goethe-Institut zwölf Jahre nach Beginn der Planungen seinen Neubau in Ägyptens Hauptstadt eröffnet.

Ein weißes Haus inmitten von Grau und Braun, ein Raum für Kulturaustausch, so geschützt wie es noch geht in einem Land, in dem gerade niemand mehr weiß, was noch toleriert wird. In dem nur sicher ist, dass die Grenzen immer enger werden. Das macht die Bedeutung eines offenen, für alle Interessierten zugänglichen Ortes aus, an dem Dialog und Begegnung noch stattfinden - und nicht allein Sprachunterricht. Der aber so stark gefragt ist, dass der Neubau nötig wurde. Alleine im vergangene Jahr zählte Kairo 5100 Kursteilnehmer, dieses Jahr 5400, Tendenz steigend, ein Angebot das sich auch wirtschaftlich trägt.

Längst weiß niemand mehr, was noch toleriert wird. Sicher ist nur: Die Grenzen werden enger

Schon wahr, das Goethe-Institut gibt seine sehr zentrale Lage in unmittelbarer Nähe des Tahrir-Platzes auf, wo es in den Wirren der Revolution nahe am Brennpunkt war. Der Neubau steht in Doqqi - verwaltungstechnisch gesehen nicht einmal mehr in Kairo, sondern in Gizeh, am westlichen Nilufer. Doch was ist der Wert eines Standorts im Zentrum, wenn die Behörden dieses mit viel gelber Farbe mumifizieren zu einem Freiluft-Museum, das an die als glorreich verklärten Fünfzigerjahre anknüpfen soll? Die unabhängigen Cafés werden von der Staatsmacht hochgenommen, ebenso die verbliebenen Aktivisten.

Das Goethe-Institut zieht sich also ein bisschen aus der Schusslinie, ist aber künftig dennoch nicht ab vom Schuss. Es verfügt im neuen Gebäude über einen der modernsten Veranstaltungssäle Kairos, wie Elke Kaschl-Mohni sagt. Nach vier Jahren in der Münchner Zentrale, zuletzt an der Spitze der Strategieabteilung, leitet sie seit wenigen Monaten die Außenstelle in Kairo und damit auch die Koordinierung der Goethe-Arbeit im arabischen Raum. "Wir haben jetzt viel mehr Möglichkeiten, im neuen Veranstaltungssaal funktioniert die Technik; die Akustik macht hier auch Konzerte möglich."

Ziel sei ein "gut kuratiertes Veranstaltungsprogramm mit Musik, Theater, Performance, Tanz, Film und Diskussionsformaten". Dass es eine große Nachfrage auch danach gibt, war am alten Standort nicht zu übersehen. Oft mussten Veranstaltungen ins Foyer übertragen werden, weil längst nicht alle Interessierten einen Platz fanden.

Dazu kommt als zweites zentrales Element des Neubaus eine Bibliothek, die nicht allein als Aufbewahrungsraum für Bücher konzipiert ist, sondern dank eines zentralen Bereichs mit Sitzgelegenheiten und großzügigen Öffnungszeiten bis in den Abend zu einem Treffpunkt für Intellektuelle werden könnte. Es gibt zudem einen großen, mit alten Palmen bestandenen Garten und eine Cafeteria. Als Hoffnung verbindet sich mit dem Neubau, "auch neue Leute anzuziehen".

Die Arbeit des Instituts ist getragen vom Dialog mit lokalen Partnern - von denen einige außerhalb dieses Refugiums kaum noch Möglichkeiten zur Entfaltung finden. Zugleich müsse die Arbeit relevant bleiben, sagt Kaschl-Mohni - also die Probleme nicht ignorieren. "Kultur hat es da immer noch ein bisschen leichter", sagt sie. Die politischen Stiftungen sind schon weitgehend aus dem Land gedrängt worden.

Auch deshalb ist es für das Institut wichtig, gegenüber der Regierung transparent und kooperativ zu sein. Zusammenarbeit mit dem Bildungsministerium bei der Lehrer-Ausbildung und anderem schätzt die ägyptische Seite. Neue Angebote aus den Bereichen Kultur- und Kreativwirtschaft könnten dazu beitragen, die Perspektivlosigkeit zu durchbrechen, die viele junge kreative Ägypter ins Ausland treibt.

Dialog mit der Umgebung und dem Land, das strahlt auch die Architektur aus, entworfen vom Erfurter Büro Worschech: Der Neubau ist ein offenes, transparentes Haus geworden, inspiriert von der klassischen Moderne. "Eine deutsche Einrichtung, die weiß, dass sie in Kairo steht", sagt Architekt Marcus Johannson. Große Fenster geben den Blick in Unterrichtsräume und Bibliothek frei. Schatten spenden perforierte Metallbalken, die an Maschrabiyya erinnern, die dekorativen Holzgitter der islamischen Baukunst. Die Höhenstufen und flachen Dächer sind Re-Importe, die sich die Kubisten in Arabien ausgeliehen hatten. Eine denkmalgeschützte Villa wurde wieder aufgebaut und integriert.

Die Gebäude ordnete Johannson am Grundstücksrand an, was an arabische Innenhöfe erinnert. Ziel war es, den einst zur DDR-Botschaft gehörenden Garten zu erhalten - ein Juwel in einem Teil Kairos, in dem die einst dominierenden Villen mit ihren Gärten gesichtslosen Betonhochhäuser weichen mussten. Zur Straße hin ist er nur von einem Zaun getrennt, auch hier ist alles von außen einsehbar und offen.

Mit 36 Stunden Kulturprogramm am Stück präsentiert sich das Institut zur Eröffnung. Alaa al-Aswany, Autor des Buches "Der Jakubijan-Bau", das viele Missstände skizzierte, die Triebfedern der Revolution von 2011 wurden, spricht darüber was Kultur im Kontext globaler Krisen und gesellschaftlicher Umbrüche leisten kann. Einen passenderen Platz als das neue Goethe-Institut Kairo könnte es dafür kaum geben.

© SZ vom 13.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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