Kulturpolitik:Berliner Verbote

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Bei zuwiderhandelnder Ausstellungseröffnung eine halbe Million Euro Strafe: Barbara und Axel Haubrok. (Foto: Eva Oertwig/dpa)

Die Kunstsammler Barbara und Axel Haubrok sollen auf ihrem Gelände nicht mehr ausstellen. Sonst droht eine Strafe von einer halben Million Euro. Was denn nun? Fördert oder fürchtet Berlin den kulturell-industriellen Komplex?

Von Peter Richter

In Berliner Höfen war allerhand schon streng verboten, Ballspielen zum Beispiel oder Wäscheausklopfen; manchmal kann man die alten Hinweisschilder noch sehen. Eine überraschend zeitgenössische Variante ist jetzt vom Bezirksamt Lichtenberg hinzufügt worden: Kunstausstellungen eröffnen verboten! Die Strafe bei Zuwiderhandlung beträgt eine halbe Million Euro.

Das Kunstsammler-Ehepaar Barbara und Axel Haubrok hat das verblüffende Schreiben letzte Woche erreicht, kurz nachdem sie ihre dann wohl letzte Austellung in der sogenannten Fahrbereitschaft eröffnet hatten: "Paperworks" - eine sehr feine Schau mit Papierarbeiten von so unterschiedlichen Künstlern wie Martin Kippenberger und Martin Creed. Der Gewerbehof, auf dem die Haubroks das zeigen, heißt deswegen Fahrbereitschaft, weil auf dem Gelände früher die Limousinen der DDR-Führung gewartet wurden. Das Sammlerpaar, einst aus Düsseldorf zugezogen, hatte das Areal vor fünf Jahren erworben und betreibt es weiterhin als Gewerbegebiet für kleine Unternehmen von der Autowerkstatt bis zum Tonstudio.

Fördert oder fürchtet die Stadt denn nun den kulturell-industriellen Komplex?

Über die Kaufsumme mag Axel Haubrok auf Anfrage der SZ zwar nicht sprechen, aber er sagt, dass er seitdem noch einmal rund vier Millionen Euro für Instandsetzung und Bauarbeiten investiert hatte. Unter anderem hatte ihm der Achitekt Arno Brandlhuber eine neue Industriehalle gebaut, die jetzt im Wesentlichen von einer Rahmenmanufaktur genutzt wird. Von demselben Architekten wollten sich die Haubroks als Sammler minimalistischer und konzeptueller Kunst zwar jetzt dort auch noch eine Kunsthalle auf das Gelände setzen lassen und hatten letzten Mittwoch erst Gespräche mit dem Senat darüber.

Aber wie um zu unterstreichen, dass es auch in Berlin einen Föderalismus gibt, bei dem sich die Bezirke zum Roten Rathaus mindestens so störrisch verhalten können wie die Länder zum Bund, kam am Abend eben das Schreiben aus dem Stadtentwicklungsamt von Berlin-Lichtenberg mit dem Hinweis, dass Ausstellungen im Gewerbehof eine "Nutzungsänderung" darstellten und mit bis zu 500000 Euro Bußgeld geahndet werden könnten; genau das habe man im Wiederholungsfalle vor.

Das ist ein verblüffend harscher Ton gemessen daran, wie stolz Berlin sonst mit seiner Kunstszene hausieren geht, und wie durchaus liberal die Auslegung der Bestimmungen gehandhabt werden kann, wo immer die Einsicht waltet, dass in dieser Stadt noch die anarchischsten Do-it-yourself-Projekte zuverlässiger funktionieren und auch für Besucher attraktiver sind als vieles, was mit spitzem Bleistift so zusammengeplant wird.

Der Begriff Nutzungsänderung, hätte man gedacht, beschreibt dabei eigentlich ganz gut eine Stärke der Stadt beim Klarkommen mit den Folgen der weitgehenden Deiundustrialisierung. Und in diesem Sinne hatten die Haubroks eigenen Angaben nach auch lange Zeit ihren Modus vivendi mit den Behörden gefunden: Ihr Gewerbegebiet war ein Gewerbegebiet, und das blieb es ja auch, aber zwei Ausstellungen im Jahr wurden vom Bezirk geduldet, und so haben die Haubroks auch immer nur zweimal im Jahr eingeladen, einmal zum Gallery Weekend und dann noch mal zur Berlin Art Week, wenn die Stadt ohnehin gerade voll war mit einem Publikum, das so kunstaffin ist, dass es auch den recht weiten Weg in die östlichen Industriegebiete nicht scheut. Zum Ärger für die Haubroks waren diese Duldungszusagen aber nur mündliche. Dann ist der damalige SPD-Bezirksbürgermeister von Lichtenberg in den Senat gewechselt, und seine damalige Nachfolgerin ist seit der letzten Wahl nur noch stellvertretende Bürgermeisterin, dafür aber zuständig für die Stadtplanung. Diese Bezirksstadträtin, Birgit Monteiro von der SPD, wurde in der RBB-Sendung "Abendschau" zitiert, dass "neue coole Straßen" auf Kosten von Arbeitsplätzen gingen und durch Haubroks Aktivitäten die "Interessen von 800 Unternehmen mit knapp 10 000 Arbeitnehmern beeinträchtigt" würden.

Das klingt nach einer sehr radikalen Auslegung der alten Thesen des Soziologen Richard Florida, wonach die "kreative Klasse" für die Aufwertung von Stadtarealen verantwortlich sei, auch bekannt als Gentrifizierung. In der Tat wird die Konkurrenz nicht nur um günstigen Wohn- sondern auch um Gewerberaum härter in Berlin, nicht nur Familien mit mittleren Einkommen haben es schwerer, auch Unternehmen mit mittleren Umsätzen.

Axel Haubrok hält dagegen, dass sich seines Engagements wegen dort eine ganze Menge Firmen erst angesiedelt hätten, die ihrerseits mehr als hundert Arbeitsplätze nach Lichtenberg gebracht haben: Architekten, Bootsbauer, eine Werbeagentur, das Tonstudio, die Bilderrahmen-Manufaktur. Die seien aber nur gekommen, weil es eben auch um Kunst ging auf dem Gelände. Zufällig hatte Axel Haubrok genau darüber Mitte Mai ohnehin mit den zuständigen Berliner Politikern diskutieren wollen: Ob die Stadt ihn eigentlich eher fördert oder fürchtet, den kulturell-industriellen Komplex. Die Veranstaltung in der Stiftung Brandenburger Tor ist für den 15. Mai angesetzt; an Relevanz mangelt es ihr jetzt noch weniger.

© SZ vom 04.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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