Künstler Bruce Nauman:Müde muss man werden

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Er ist der wohl einflussreichste lebende Künstler der Gegenwart, doch Bruce Nauman hält sich trotzdem gerne im Verborgenen. Ausgerechnet für die Frau seines deutschen Galeristen gibt er die Zurückhaltung nun auf. Ein Interview über die Beweglichkeit seiner Finger und den Aufbruch der Kunst in China und Indien.

Catrin Lorch

Der Künstler ist dafür bekannt, lieber weg zu bleiben. Er ist nicht nach Hannover gekommen, als man ihn dort mit einer Ausstellung ehrte, als er in Venedig vor zwei Jahren mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde, war sich die Szene lange nicht sicher, ob er überhaupt in der Lagune war.

Bruce Nauman: Tiere sind Teil seiner Lebensroutine, doch sie deuten nicht auf eine Abkehr von der Kunst hin. (Foto: AP)

Doch jetzt ist er in Berlin. Und stellt dort zum ersten mal überhaupt Arbeiten vor, die er auf deutsch produziert hat. Der wohl einflussreichste lebende Künstler überhaupt, der dieses Jahr 70 Jahre alt wird, sagt, warum: "Damit Dorothee die Arbeit hat." Dorothee Fischer, das ist die Frau seines ersten Galeristen überhaupt, des legendären Düsseldorfers Konrad Fischer. Und Bruce Nauman wollte der Weggefährtin nicht nur Arbeit machen, sondern sie auch mit einer Ausstellung neuer Werke belohnen.

Die Video-Installation "Beschriebene Variationen" und die Sound-Arbeit "Für Kinder" sind zwei charakteristische Setzungen. Die Zeile "Für Kinder" spricht der Amerikaner selbst, wieder und wieder, Umlaut inklusive, sie allein füllt einen Raum.

Im benachbarten Saal ist eine Projektionswand aufgespannt, von beiden Seiten sieht man ein Händepaar, das abwechselnd die Finger beugt und streckt, was andauernd von verschiedenen Sprechern kommentiert wird: "Mittelfinger rechte Hand, Daumen und Zeigefinger linke Hand.", ein kleines Kunststück, das mühelos an schlanke, frühe Selbst-Experimente aus den Sechziger Jahren anknüpft.

Die ruhige Etüde entfaltet in ihrer Brillanz eine fast hypnotische Wirkung, man muss die eigenen Hände schon tief in den Taschen vergraben,um sie vor der Performance festzuhalten.

Süddeutsche Zeitung: Es sieht fast aus, als dirigierten die beiden Hände das Geschehen - wie hängen Bild und Ton zusammen?

Bruce Nauman: Ich habe das Video ohne Ton nach Düsseldorf geschickt und Sprecher versuchen zu beschreiben, was geschieht. In meinem Atelier in New Mexiko haben wir die Aufnahmen dann so getaktet, dass sie parallel liefe.. Es war vielleicht anstrengender, das Bild aufzunehmen - für die amerikanische Ur-Version hatte ich die Instruktionen selbst gesprochen und bin dann mit meinen Fingern den Anweisungen gefolgt. Nach einer Weile wurden meine Hände müde, fingen an zu zittern. Zuweilen habe ich die falschen Finger bewegt, musste mich korrigieren. Nun sieht man die gleichen Bilder, aber die deutsche Arbeit ist die Dekonstruktion der amerikanischen.

SZ: War es wichtig, dass Ihre Hände die Variationen aufführen?

Nauman: Häufig ist es einfacher, es selbst zu machen. Hier stellte sich heraus, dass nur meine Finger beweglich genug waren. Es gibt ein paar Werke, für die ich Performer engagiert habe: Es ist dann ihre Performance, die das Werk trägt. Und es ist für mich manchmal schwer, das zu akzeptieren. Bei "Anthro/Socio - Rinde Spinning" habe ich mit Rinde Eckert gearbeitet, er hat eine Ausbildung als Opernsänger. So konnte er bestimmen, wie er die einzelnen Zeilen singt. Seine Stimme war so schön, sein Auftritt so kraftvoll. Er war auch sehr mit sich zufrieden, wusste, dass er das gut kann.

SZ: Sie haben heute im Museum Hamburger Bahnhof Ihre Installation "Room with My Soul Left Out, Room that Does Not Care" aus dem Jahr 1984 besucht - wann haben Sie diese wichtige Arbeit das letzte Mal gesehen?

Nauman: Bei ihrer Vernissage in New York. Damals musste ich mich nach den Abmessungen der Galerie richten, der Aufbau hier in Berlin ist vielleicht sogar näher an meinem originalen Entwurf. Der Titel kam übrigens nicht von mir, sondern von Dr. Giuseppe Panza di Biumo. Der ging früher häufig selbst durch die Schubladen der Galerie Leo Castelli in New York und schaute sich die Zeichnungen von mir an... und da lagen auch welche von Robert Morris und er wollte einige davon kaufen. Leo schickte mir danach eine Liste, auf der einiges stand, das ihn interessierte, unter anderem auch ein Blatt "Room with My Soul Left Out", daneben war die Skizze eines Kubus, in dem eine Glühbirne von der Decke hängt. Leo fragte, welche Zeichnung das sein könne. Aber weder ich, noch Rob Morris wussten, welche gemeint sein könnte, es war wirklich Panzas Idee.

SZ: Zu den letzten Video-Arbeiten, die in Deutschland von Ihnen zu sehen waren, gehören "Mapping the Studio" (2001), wie auch "Setting a Good Corner" (2000). Die erste zeigt ihr Atelier als Lebensraum der Katze, die dort nachts Mäuse jagt, im zweiten setzen Sie einen Pfosten, damit Ihre Viehherde gesichert ist. Inszenieren Sie da Ihre Abkehr von der Kunst-Szene? So wie Marcel Duchamp, der als Schachspieler auftrat?

Nauman: Ich verwende Tiere manchmal, nicht häufig. Sie sind Teil meiner Lebensroutine. Tiere erwarten Aufmerksamkeit, man muss sie füttern, tränken, wenn sie jung sind, müssen sie trainiert werden, wenn sie bluten, muss man sie versorgen. Mich um Tiere zu kümmern hilft mir durch den Tag, durch die Woche. Aber heute fand ich es angenehm, dass ich ausnahmsweise nicht aufstehen und mich kümmern muss.

SZ: Ihr Werk steht im Zentrum der westlichen Kunstgeschichte der vergangenen Jahrzehnte. Empfinden Sie es als angemessen, das dieses Verständnis von Kunst als Freiraum zu exportieren, nach China oder Indien beispielsweise?

Nauman: Ich habe darüber nachgedacht, vor allem, weil viele Künstler jetzt aus China kommen. Am Anfang haben sie die amerikanische oder europäische Art, mit Kunst umzugehen, imitiert. Aber ich glaube, sie werden eine eigene Richtung einschlagen. China und Indien sind so große Ländern, so große Märkte mit so vielen Menschen. Was auch immer man dort herausfindet, es wird sich von unserer Denkweise unterscheiden. Der Einfluss wird sich umkehren und ich bin gespannt, wie. Ich habe niemals Zeit in China verbracht, ich weiß nicht, wie man in solchen politischen Situationen lebt. Aber ich habe immer gedacht, dass ein Künstler - auch wenn man ihm all sein Werkzeug wegnimmt - immer noch ein Künstler sein wird, wo auch immer er existiert; man findet einen Weg, etwas zu tun.

Die Ausstellung "Beschriebene Variationen - Für Kinder" ist bis zum 30. Juli in der Konrad Fischer Galerie in Berlin zu sehen. Außerdem zeigt die Kunsthalle in Mannheim die Ausstellung "Bruce Nauman. Der wahre Künstler", noch bis zum 21. August.

www.kunsthalle-mannheim.eu

www.konradfischergalerie.de

© SZ vom 02.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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