Krimi-Serie:"Da würde sich eine Leiche sehr gut machen"

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Den Weldener Waldweiher hat Nicola Förg während eines Ausflugs entdeckt - prompt ist er zum Schauplatz ihres Romans "Das stille Gift" geworden

Von Sabine Reithmaier, Fuchstal

An schönen Tagen ist der Weldener Waldweiher sicher sehr idyllisch. Aber im Augenblick regnet es in Strömen, über den See ziehen Nebelschwaden. "Wirkt doch viel mörderischer, als wenn es strahlend blau wäre", sagt Nicola Förg, zieht sich fröstelnd die Jacke zu, packt den Regenschirm und marschiert los. Nach knapp 200 Metern klettert sie das sanft ansteigende Ufer hinunter und bleibt an einer seichten Stelle stehen. Genau hier haben Rupert Urban und Hans Schuster in Förgs Krimi "Das stille Gift" einen Schädel und die Überreste eines Skeletts in den Weiher geworfen. "Ist doch ein perfekter Platz", sagt Förg. Stimmt. Niemandem würde es auffallen, wenn Spaziergänger den schmalen Uferweg entlang schlendern und etwas in den See schleudern würden, selbst wenn er die Szene von der Terrasse des Gasthauses Seerose beobachtet. Es könnte sich auch um Steine handeln.

An diesem kalten Julitag wäre es vermutlich sogar problemlos möglich, eine komplette Leiche zu entsorgen. Kein Mensch lässt sich blicken, das Gasthaus hat Ruhetag. Förg setzt sich auf die verwaiste Terrasse, immerhin schützt das Dach vor den Regenfluten. Bis hierher ins Fuchstal ist es ganz schön weit für Förgs Kommissarinnen Irmi Mangold und Kathi Reindl, die für die Kripo Garmisch-Partenkirchen ermitteln. In den Landkreis Landsberg gebracht hat sie nur ein phantasievolles Konstrukt ihrer Erfinderin. Die Frau des Schädelentsorgers und "Millionenbauern" Rupert Urban stammt von hier, er bewirtschaftet den Hof ihrer Eltern nebenbei mit und verdient sich an Bauplätzen ein Schweinegeld. "Ich fand die Region charmant, weil sie sehr unbekannt ist und trotzdem eine gewisse Behäbigkeit ausstrahlt", sagt Förg. Auf jeden Fall ist sie nicht so belegt als Krimi-Schauplatz wie das Karwendel, wo eine Blutspur die andere jagt.

Entdeckt hat Nicola Förg den Weiher zufällig während eines Ausflugs. Auch ihre anderen Schauplätze findet sie eher nebenbei beim Radeln oder Bergwandern. "Plötzlich sehe ich einen Platz und denke, da würde sich eine Leiche sehr gut machen." Später, wenn sie schon an dem jeweiligen Krimi arbeitet, überprüft sie den Ort noch einmal genauer.

Weil es auch bei ihr nicht ganz ohne Karwendel geht, inspizierte sie auch die Zirler Kristenalm. In deren Nähe liegt die Berghütte, die am Ende des Krimis in Flammen aufgeht. Die Hütte selbst existiert in Wirklichkeit nicht - "da würde ich dem jeweiligen Besitzer zu sehr auf die Füße treten". Aber alles andere ist akribisch recherchiert, einschließlich des Schotterwegs und der Kristenalm-Wirtin, die tatsächlich Mathematik studiert hat. "Durch das Gespräch mit ihr ist mir auch klar geworden, dass sich da oben niemand zwei Jahre verstecken kann, ohne bemerkt zu werden." Also lässt sie ihren Milchbauer Kilian Schwaiger, der allein gegen die Agrarmafia kämpft und - wie nicht anders zu erwarten - auch verliert, dort oben die Mär verbreiten, er genehmige sich eine Auszeit. Das reicht als Begründung, weiß Förg von der Hüttenwirtin.

Unrealistische Krimis verabscheut sie. "Das ist mein Anspruch, dass sich die Geschichte so hätte ereignen können, wenn sie auch nicht wirklich passiert ist." Plots, in denen plötzlich eine Kindergärtnerin ermittelt und Morde aufdeckt, hält sie für Nonsens. "So jemand kommt doch gar nicht an die notwendigen Informationen."

Nicht alle Schauplätze im "Stillen Gift" sind so idyllisch wie der See. Aber an Maisfeldern oder Biogasanlagen will Nicola Förg lieber nicht fotografiert werden. "Mir reichen schon jetzt die Biogasfans, die mich um sieben Uhr früh anrufen und beschimpfen." Der Krimi polarisiert, weil Förg neben Mord und Ermittlung sich auch noch an Tierseuchen wie chronischem Botulismus abarbeitet und auch zu Glyphosat, Biogasboom, Monokulturanbau und falschen EU-Subventionen eine klare Meinung vertritt, die sich nur selten mit der des Bauernverbands oder des Landwirtschaftsministeriums deckt. Die Bilder der weinenden Menschen in Niederbayern, die auch dem industriellen Maisanbau eine Mitschuld am katastrophalen Junihochwasser gaben, haben sie in ihrer Ansicht nur bestätigt. "Aber trotzdem werden die Biogasanlagen, für die der Mais benötigt wird, auf Wunsch der CSU jetzt weiter gefördert", regt sich Förg auf.

Die perfekte Stelle: Nicola Förg steht im Weldener Waldweiher, dort, wo im Krimi "Das stille Gift" die Überreste eines Skeletts entsorgt wurden. (Foto: Lutz Rudat)

Im Krimi überlässt sie solche Gedanken ihrer Kommissarin Irmi Mangold. Die lebt auf einem Bauernhof, ist ein wenig älter als die 53-jährige Autorin und kann ihren Bruder, den Bauer, zu keinerlei Veränderungen bewegen. Manchmal verzweifelt sie fast über der Erkenntnis, dass es immer nur ums Geld und nie um Tier- und Artenschutz geht. "Als Alter Ego sehe ich sie aber nicht", sagt Nicola Förg entschieden. Ihre zweite Heldin, Kathi Reindl, ist eine alleinerziehende Mutter, die sich gerade mit ihrer pubertierenden Tochter herumärgert. Förg schätzt Geschichten, die sich mit normalen Menschen und den Widrigkeiten in deren Alltag beschäftigen.

Auch ihr Kommissar Gerhard Weinzirl, der im Pfaffenwinkel neun Mal ermittelte und derzeit pausiert, war so ein unspektakulärer Typ. Ob er weitermacht, steht noch nicht fest; allerdings liebäugelt Förg gerade mit einer Geschichte. Er ist übrigens der erste Allgäuer Kommissar, war in "Schussfahrt" 2002 noch vor Klüpfel und Kobrs tollpatschigem Kluftinger unterwegs.

Was allen Förg-Krimis gemeinsam ist: Sie haben ein gesellschaftlich relevantes Thema. "Das muss feststehen, erst dann fange ich an zu morden. Und ich tue es ungern, aber das lässt sich in einem Krimi nicht vermeiden." In "Scheunenfest" beschäftigt sie sich mit der Situation ausländischer Pflegekräfte - "meine Eltern hatten jahrelang rumänische Pflegerinnen" -, in "Platzhirsch" mit Abschusszahlen und Wilderei. "Auf jeden Fall ist alles ziemlich nah an meinem Leben dran", sagt die "Hobby-Landwirtin", die mit ihrem Mann ein großes Anwesen mit Wiesen, Wald, Tieren und Feriengästen bewirtschaftet.

Dass sich die Krimis am Alpenrand häufen, wundert Förg nicht. "Das sind eben Sehnsuchtslandschaften, Gegenden, die emotional berühren." Viele Touristen verwenden die Krimis auch als Reiseführer. Ob sie alle die fiktiven Zeitungsartikel lesen, die Förg zwischen die Krimikapitel einstreut und in denen sie tiefer in ihre Themen einführt? Das müssen sie nicht, sagt sie und zuckt die Schultern. Die Handlung versteht man auch so. "Aber ich verbringe viel Zeit mit so einem Krimi, da möchte ich schon was machen, was mich interessiert, und nicht bloß Klamauk."

Für das Schreiben ist der Vormittag reserviert. Mittags geht sie dann den Pferdestall ausmisten. "Eine gleichmäßige, meditative Tätigkeit mit klarem Ziel: Scheiße raus, Sägmehl rein. Sehr entspannend." Die Kombination aus geistiger Arbeit und Landwirtschaft mache sie zu einem Menschen, der sich selbst nicht so wahnsinnig ernst nehme, findet sie. "Es ist schön, dass das funktioniert mit den Büchern, aber ich hänge es nicht so hoch." Die Welt komme gut auch ohne Krimis aus, sagt sie dann. "Aber nicht ohne Landwirte, die das Essen erzeugen. Wir würden alle verhungern."

Noch einmal will Nicola Förg jetzt aber nicht über falsche Subventionspolitik reden. Lieber erzählt die Autorin von dem Bulldog-Treffen in Steingaden, an dem sie mit ihrem alten Schweizer Bührer teilnahm. Und gleich die Anfangsszene ihres nächsten Krimis vor Augen hatte: "Einer kippt tot vom Bulldog, und los geht es." Was das zentrale Thema des Buches ist? Förg zögert keine Sekunde: Der illegale Welpenhandel.

Nächste Folge: Spurensuche mit Marc Ritter

© SZ vom 20.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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