Konzert:Urkomisch im Ernst

Lesezeit: 1 min

Markus Birkle (links) und Christoph reiserer im Ampere. (Foto: Marcus Nickel)

Das "Neue Kollektiv München" bereitet bei seinem Debüt viel Vergnügen

Von DIRK WAGNER, München

Ein wenig gleicht der Schlagzeuger Stefan Blum einem Kellner, der statt kulinarischer Köstlichkeiten perkussive Klänge auf seinem Servierwagen ins Ampere schiebt, um die Besucher des ersten Auftritts von Neues Kollektiv München (NKM) mit Alexander Strauchs Komposition für kleines Schlagwerk "Prise-Sur" zu überraschen. Dazu rezitiert Blum die einzelnen Buchstaben aus "Happy Birthday to You" in verkehrten oder neuen Reihenfolgen. Diese Neuordnung der Vokale und Konsonanten erinnert an die konkrete Poesie eines Ernst Jandl, dessen Sprechgedicht "Schtzngrmm" auch im Stück zitiert wird. Nicht, weil auch dem Geburtstagslied die darin artikulierte Akustik eines Schützengrabens innewohnt, sondern weil ein solches Stolpern in ein fremdes Stück witzig ist. Auch der beim Konzert anwesende Komponist, selbst Mitglied des veranstaltenden Vereins Magnet e.V., freute sich über das Vergnügen, das sein neues Stück bereitete. Der Auftakt signalisierte schließlich auch, dass ernste Musik quietschfidel und urkomisch sein kann.

Das Ensemble, das eigene Konzepte mit aktuellen Strömungen der zeitgenössischen Musik verbinden will, bringt das Publikum mit seiner herrlich entkrampfenden Art der Musikpräsentation noch öfter zum Lachen. Kein abschätziges Lachen freilich, sondern ein befreites, das vergnügt die Leistung der Komponisten und Musiker anerkennt. Die Inszenierung, mit der die Pianistin Julia Schölzel, der Saxofonist Christoph Reiserer, der E-Gitarrist und Bassist Tobi Weber und der Schlagzeuger Stefan Blum die Kompositionen in Beziehung setzen, lässt die Stücke auch mal ineinander fließen. So offeriert das Neue Kollektiv München mit dem Gastmusiker Markus Birkle, Gitarrist von Fanta 4 und Netzer, eingangs erst einmal Versatzstücke aus dem gesamten Programm des Abends, die es improvisierend zu einem weiteren Stück zusammen fügt. Bernard Parmegianis 1975 auf Tonband aufgenommene Rekonstruktion von Naturklängen in seinem elektronischen Studio spielt das Ensemble über einen Tonträger zu.

"Von der ursprünglichen Überlegung, diese Aufnahme live mit unseren Instrumenten nachzuspielen, sind wir abgekommen, weil uns die Aufnahme doch zu gut gefiel", rechtfertigt Blum später die eigenwillige Entscheidung, auf einem Konzert eine vorgefertigte Aufnahme abzuspielen, die nicht einmal vom Ensemble selbst stammt. Weil die Musiker ansonsten aber fordernde Musik mit einer verblüffenden Leichtigkeit kredenzen, darf auch diese Entscheidung gefeiert werden, weil sie einmal mehr die Musik selbst wichtiger nimmt als die Musiker. Die nächsten Konzerte sind für 12. und 13. Dezember im Schwere Reiter geplant.

© SZ vom 30.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: