Konzert:Schöne Stimme

Lesezeit: 2 min

Prince ist einer ihrer größten Fans: die Sängerin Lianne La Havas aus London. (Foto: Muffatwerk)

Lianne La Havas wollte Kunstlehrerin werden, kam dann aber über Freunde zur Musik. Obwohl sie auch Soul singt, will sie auf keinen Fall "Soulsängerin" genannt werden

Von Claus Lochbihler

Guter Pop klingt nicht nur gut. Er sieht auch gut aus. Oft sogar besser, als er klingt. Weshalb einem bei Lianne La Havas - sieht man sie das erste Mal - skeptisch durch den Kopf schießt: Mal hören, ob die in all ihrer Schönheit auch so gut singt, wie sie aussieht.

Das erste Mal war La Havas in München vor drei Jahren zu hören. Ein kleines, sehr feines, rappelvoll ausverkauftes, gefeiertes Konzert im Ampere, bei dem schon nach zwei, drei Songs klar war: Da steht eine nicht nur bezaubernd auf der Bühne. Sie singt auch so und schreibt Songs, von denen sich die besten sehr Indie-haft zwischen Folk und Soul tummeln - so wie ihre Stimme, die flüstern, aber auch in die souligsten Höhen entfliehen kann. Klar war leider auch: In so kleinem, intimen Rahmen wird man die Schöne aus London mit den jamaikanisch-griechischen Wurzeln nie wieder zu hören bekommen. Gut, dass man dabei war.

Drei Jahre später tritt Lianne La Havas demnächst in der Royal Albert Hall in London und an diesem Donnerstag in der Münchner Muffathalle auf. Im Gepäck hat sie ein zweites Album mit dem Titel "Blood", das thematisch um Familie und Herkunft, Werden und Sein, Identität und Blutsbande, alte und neue Liebe kreist. Die neuen Songs klingen in Teilen grooviger, elektrischer, kontrastreicher, lauter als auf dem Debüt-Album. Es gibt zwar nach wie vor den Flüster-Folk zu hören, bei dem die 26-jährige Sängerin eine wunderbare Balance aus zarter Stimme und großen Gefühlen findet und der Gesang sich um ihre Nick-Drake-haften Gitarrenbegleitungen rankt.

Anderswo aber wird es lauter, sogar rockiger. Nirgendwo so plötzlich und unerwartet wie in "Never Get Enough", wo Lianne La Havas ihre Stimme im Chorus durch den Verzerrer jagt und in eine Art elektrische Gitarre verwandelt. Beinahe so, als ob sie damit auch herausbrüllen möchte: "Leute, hört doch endlich auch mal den Indie-Rock in Lianne La Havas. Nennt mich nicht immer nur eine Soulsängerin!"

Als solche nämlich möchte Lianne La Havas nicht bezeichnet werden- auch wenn sie das Singen unter anderem durch's Mitsingen zu Lauryn Hill, Mary J. Blige oder Jill Scott gelernt hat. Der Begriff "Soulsängerin" sei weniger eine musikalische Aussage als die stereotype Zuweisung eines Musikgenres aufgrund von Aussehen, Herkunft und Hautfarbe, hat Lianne La Havas in Interviews immer wieder kritisiert. Sobald der Ausdruck falle, würden andere Einflüsse und Elemente ihrer Musik geflissentlich überhört. Ihre musikalischen Helden sind neben Thom Yorke von Radiohead als Songwriter und Billie Holiday und Ella Fitzgerald als Sängerinnen ihre Eltern, auch wenn sie nach deren Trennung weder bei Vater oder Mutter, sondern den in Jamaika geborenen Großeltern mütterlicherseits aufgewachsen ist. Von ihrem Vater Henry Vlahavas, einem Akkordeon und Gitarre spielenden Steinmetz und Busfahrer, hat Lianne Charlotte Barnes nicht nur ihren Künstlernamen, sondern auch das intuitive Songwriting und Musikmachen. Von ihm bekam sie ihr erstes Keyboard, ihre erste Gitarre geschenkt. Er brachte ihr das Fingerpicking auf der Gitarre bei.

Die Liebe zum Singen und zum Soul stammt von der Mutter und deren Plattensammlung. Eine heimliche Liebe: Lange hat Lianne La Havas nur für sich gesungen. Erst in einem Chor legte sie ihre Schüchternheit ab. Zur Musikkarriere kam sie über musizierende Freunde während ihres Kunststudiums, bald sang sie Background für Paloma Faith, bis eines Tages Warner Music und bald auch Prince - einer ihrer größten Fans - anklopften. Und so wurde aus der angehenden Kunstlehrerin Lianne Charlotte Barnes die Sängerin Lianne La Havas. Eine Sängerin mit Soul. Aber keine Soul-Sängerin. Jedenfalls nicht ausschließlich.

Lianne La Havas, Donnerstag, 19. November, 20 Uhr, Muffathalle, Zellstraße 4

© SZ vom 19.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: