Konzert:"Rock bringt Einsichten"

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Breitbeinig mit Bandana: So präsentiert sich Little Steven, 67, gerne auf der Bühne. (Foto: Jo Lopez)

Er ist Gitarrist von Bruce Springsteen, erfolgreicher Schauspieler und engagierter Bildungsvermittler. Nun stellt Steven Van Zandt alias Little Steven sein Album "Soulfire" in München vor - eine Wiedergeburt, wie er sagt

Von Michael Zirnstein

Steven van Zandt ist kein guter Geschichtenerzähler, findet er. Das erstaunt, denn in den großartigsten Geschichten spielt der Mann, den sie Little Steven nennen, wichtige Rollen. Zum Beispiel im New Yorker Mafia-Epos "Die Sopranos". Da gab er von 1999 an in 81 von 86 Folgen Silvio Dante, den Betreiber der Nacktbar Bada Bing und Consigliere des Paten Tony Soprano. Das kam so gut an, dass er 2012 in der Fernsehserie "Lilyhammer" eine Hauptrolle als Mafioso bekam, der sich in einem Zeugenschutzprogramm in Norwegen ansiedeln lässt. Am Drehbuch hat Little Steve mitgeschrieben. Es gäbe gerade fünf neue Film-Projekte, die er prüfe, aber er mag gar nicht so viel übers Filmgeschäft reden, sagt er, momentan brenne er voll und ganz für die Musik, für "Soulfire". Sein Solo-Album sei eine Wiedergeburt, eine Rückkehr dorthin, wo er vor 20 Jahren aufhörte, als er mit dem Schauspielen begann.

Nun ja, mit der Musik hat er nie aufgehört. Little Steven ist schließlich bekannt als Bandana-tragender, raubeiniger Gitarrist in der Band seines Kumpels seit Teenager-Tagen: Bruce Springsteen. Es gäbe so viel zu erzählen über "Miami Steve" und seine vier Jahrzehnte im Rock-Zirkus (inklusive eines Ausflugs an den Broadway): Wie er 1982 im "Rockpalast" in Essen, dem großen TV-Ereignis damals, mit Gianna Nannini auftrat, zum Beispiel. Oder wie er sich und seine Frau Maureen von Little Richard trauen ließ, Percy Sledge sang dazu "When a man loves a woman", konsequent für einen, der Rock'n'Roll als seine Religion bezeichnet. Trauzeuge war Freund Bruce. Also, wie fing diese Freundschaft an, wie wichtig sind die beiden für einander? "Wir waren jung und wir waren besessen von Rock'n'Roll, das war damals nicht Mainstream, sondern Untergrund", erinnert er sich an die Zeit in ihrer Band Steel Mill in New Jersey, "wir zogen Stärke daraus, dass wir gemeinsam versuchten, von dem zu leben, was wir liebten." Obwohl er etwa die Bläsersätze für "Born To Run" arrangierte, war Little Steven nicht ständig Mitglied der E-Street-Band (momentan ist er es), der Freund des Bosses war er immer.

So konnte er Springsteen stets für seine politischen Projekte begeistern: 1985 etwa sangen sie - zusammen mit Bono, Bob Dylan, Run DMC und anderen - im Anti-Apartheid-Song "Sun City" gegen das gleichnamige, Weißen vorbehaltene Amüsierzentrum in Südafrika an. Und auch bei Van Zandts Bildungsinitiativen ist Springsteen dabei (wie auch Bono, Jackson Browne und Martin Scorsese). Im Programm "Teach Rock" seiner "Rock'n'Roll Forever Foundation" können sich Schullehrer mehr als 100 Lektionen zur Geschichte der Popular-Musik für den Unterricht herunterladen. Zu vermitteln, wie wichtig Rock ist, ist seine Lebensaufgabe, mit der Stiftung wie mit seiner Radiosendung "Little Stevens Underground Garage" und dem Label Wicked Cool Records. Rock sei "ein wesentlicher Bestandteil für die Lebensqualität", doziert er, "Rock bringt Einsichten, Informationen - sicherlich emotionale -, und er führt uns an einen Ort, der über Religion, Rasse oder Intellekt liegt." Gerade die voll-computerisierten Kinder würden den Zugang dazu verlieren, bedauert der 67-Jährige, der wie im Science Fiction schon isolierte Maschinenmenschen ohne (musik)handwerkliche Begabung durch die Welt irrlichtern sieht.

Little Steven kann stundenlang über Politik von Reagan bis Trump und die Diktaturen der Welt schimpfen, so wie er es früher auf den Solo-Platten zu seiner "Mission" machte. Umso erstaunlicher, dass "Soulfire" sein erstes unpolitisches Album ist, weil es vor allem mit Songs gefüllt ist, die er für Kollegen geschrieben hat: "Ich habe mich wieder verbunden mit meiner eigenen Musik, von der ich irgendwie weggekommen bin."

Auf Tour präsentiert er das wie in der Rockpalast-Ära mit einer 15-Mann-Band - das sei richtig teuer, sagt er, aber eine Investition in seine eigene Zukunft, so werde es nun weitergehen. Die Disciples of Soul spielen nicht nur Soul, obwohl das seine Wurzeln seien - James Brown, Etta James, The Temptations - sondern gut zehn Stile von Blues zu Rock über Salsa und Reggae bis zu Folk und sogar Doo-Wop, weil da in den Fünfzigern hätten die Sänger noch so wunderbar harmoniert - eine schöne positive Schwingung als Symbol für die Welt, wie er in seinen Bühnenansagen dazu erzählt.

Eine Anekdote fällt ihm dann doch noch ein, speziell für München: Er habe sich in dem Moment in die Stadt verliebt, als er in den Achtzigern den Englischen Garten betrat und Frauen oben ohne beim Sonnenbaden sah. "So etwas haben wir in den USA nicht. Gibt es das noch?", fragt er. Klar, ist nicht verboten. "Gut. Wenigstens eine Konstante in dieser rasenden Welt."

Little Steven , Sonntag, 3. Dezember, 20 Uhr, Muffathalle, Zellstraße 4

© SZ vom 02.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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