Für einen Pianisten, dem man es insgeheim zutrauen würde, einen vierhändigen Klavierauszug allein mit der linken Hand zu spielen, wirkt das Programm, das Marc-André Hamelin für sein Konzert im Herkulessaal ausgewählt hat, sehr ruhig. Zunächst. Nach der Beethoven-Liszt'schen Adelaide S 466 folgen Schuberts Drei Klavierstücke D 946. Wie bei Schuberts Instrumentalmusik üblich, ist die zeitliche Ausdehnung bemerkenswert. Aber natürlich ist ihr Hamelins gestalterisch vorausschauender Plan gewachsen - durch ideale Ausgewogenheit: Wie Hamelin hier Akkordisches und lineare Melodik austariert, klingt so warm wie präzise, volltönend, aber nie zu breit.
Vor allem aber beeindruckt, wie Hamelin seine Darbietung mit vielen kleinen, bereichernden Effekten garniert und dabei jegliche Übertreibung so konsequent vermeidet, dass die Musik immer schnörkellos elegant voranfließt. Dass diese pianistische Handschrift nach der Pause auch zu Brahms' Drei Intermezzi op. 117 sehr gut passt, ist nicht verwunderlich. Zusätzlich wählt Hamelin hier herrlich pastellene Farben und zeichnet im dritten Stück im Diskant zarteste Leuchtpunkte.
Dann ist das romantische Glück vorbei. Sicherlich, Samuil Feinbergs Sonate Nr. 3 beginnt wohlklingend und wie für Hamelin gemacht: mit einem Präludium nur für die linke Hand (trotz weiter Lage) - und Hamelins Meisterschaft, solche Passagen mit perfekter Stimmgewichtung zu spielen, ist wieder einmal frappierend. Der zweite Satz hingegen, der zwar Trauermarsch heißt, aber in seiner verqueren Rhythmik keiner ist, kündet den Aberwitz des Finalsatzes an. Der ist, so rastlos, technisch hemmungslos und von skurriler, staccatierter Kontrapunktik durchzogen, wie ihn der große Pianist Feinberg komponiert hat, selbst für Hamelin nicht selbstverständlich. Für den Hörer auch nicht. Hamelin aber donnert als zweite Zugabe noch locker eine selbstkomponierte Toccata in die Tasten, mit der nicht minder zu spaßen ist.