Konzert:Lohn der Offenheit

Lesezeit: 2 min

Bereit, sich auf neue Spielweisen einzulassen: das Münchner Rundfunkorchester. (Foto: Felix Broede)

Das Münchner Rundfunkorchester führt regelmäßig vergessene Musik der französischen Romantik auf

Von Rita Argauer

Das Bild, das man von Menschen hat, die viel Zeit in Bibliotheken und über alten Handschriften verbringen, schwankt zwischen Langweiler und Abenteurer. Der dickbebrillte Archivar steckt die eine Seite dieses Spektrums ab, Johnny Depp als heruntergekommener Bücherjäger in Polanskis Thriller "Die neun Pforten" die andere. Die, wie in den meisten Fällen dazwischen liegende Wirklichkeit zeigt sich im französischen Musikwissenschaftler Alexandre Dratwicki. Der ist der wissenschaftliche Leiter der Stiftung Palazzetto Bru Zane. Dort, in einem kleinen Palazzo in Venedig widmet er sich der Wiederentdeckung und Neuedition verschwundener Musik der französischen Romantik.

Dabei trifft eine gewisse Nerd-Haltung auf ein wenig Glamour, und mit dem Münchner Rundfunkorchester hat man dafür seit einigen Jahren einen geliebten Partner gefunden. Denn bei dem Münchner Orchester, das sich stilistisch eben ausgesprochen gewandt durch Programme von Filmmusik über neue geistliche Musik bis hinzu konzertanten Opern spielt, liebt man die Herausforderung, die die Wiederaufführung von Musik birgt, die in vielen Fällen mehr als 100 Jahre nicht gespielt wurde, wie Veronika Weber, die Managerin des Orchesters, bei einem Pressegespräch zur neuesten Zusammenarbeit erklärt.

Es geht dabei um die Premiere von Charles Gounods Oper "Le Tribut de Zamora". Gounod an sich ist zwar kein unbekannter Komponist, doch kennt der heutige Konzertbetrieb wohl gerade einmal fünf Prozent von dessen Werk. "Le Tribut de Zamora" von 1881 ist Gounods letzte Oper, die Ende des 19. Jahrhunderts auch in Deutschland noch regelmäßig zur Aufführung kam, aber noch vor dem Ersten Weltkrieg von den Spielplänen verschwand. Groß besetzt erzählt sie in vier Akten eine Geschichte zwischen Religion, Politik und dem persönlichen Schicksal der jungen Xaïma, angesiedelt im 9. Jahrhundert in Spanien. Das Libretto hatte Adolphe d'Ennery eigentlich für Giuseppe Verdi geschrieben. Gounod übernahm den Stoff, nachdem Verdi ihn aus Zeitgründen nicht bearbeite.

"Als das Werk uraufgeführt wurde, klagte die Kritik, es sei schlechte Musik", erklärt Dratwicki und widersprecht dem heftig: "Es lag meistens an den Sängern oder am Dirigenten, wenn ein Stück, das so offensichtlich sehr spannende Musik enthält, so schlecht besprochen wurde", führt er aus. Dem hält man nun in der Wiederaufführung in München entgegen. Es dirigiert Hervé Niquet, der dem hoch motivierten Rundfunkorchester das französische Spiel-Idiom nahebringt und begeistert erzählt, das Orchester sei das "beste französische Orchester außerhalb Frankreichs". Ebenso begeistert ist man vom Chor des Bayerischen Rundfunks, den Alexandre Dratwicki noch von der ersten Zusammenarbeit des Rundfunkorchesters mit der Stiftung - 2015 mit Gounods "Cinq-Mars" - positiv in Erinnerung hat. Bei beiden Münchner Klangkörpern schätzt er die unbedingte Offenheit, sich auf den ungewohnten Stil und neue Spielweisen einzulassen. In den mittlerweile preisgekrönten CD-Einspielungen des Rundfunkorchesters der von Palazzetto Bru Zane entdeckten Werke, zahlt sich das aus.

Le Tribut de Zamora , Sonntag, 28. Jan., 19 Uhr, Prinzregententheater, Prinzregentenplatz 12

© SZ vom 25.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: