Konzert:Gedenken

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Das BR-Symphonieorchester und Schönbergs "Überlebender"

Von Egbert Tholl, München

Das Orchester schreit, kurz, hart, notwendig. Dann zieht es sich zurück, überlässt erst einmal Thomas Quasthoff die Erzählung. Ein paar Tage nach dem Jubiläum des Kriegsendes führt das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Mariss Jansons Schönbergs Oratoriums-Kondensat "Ein Überlebender aus Warschau" auf, vielleicht immer noch das, gerade in seiner Konzentration, beklemmendste Stück Musik zum Holocaust. Für dieses Stück braucht man einen Sprecher, der sowohl die Geschichte eines Überlebenden erzählt wie auch den Nazimördern die Stimme ihrer herausgebellten Befehle gibt, das eine auf Englisch, das andere auf Deutsch. Quasthoff ist der Sprecher, er muss dafür nicht singen, er tut es auch nicht. Er deklamiert, strukturiert den Text mit Längen und Kürzen, ist dadurch nicht sein prägnantester oder emphatischster Interpret. Er neigt zur Breite, das Drama selbst kommt durch das Orchester. Paradoxerweise auch durch eine Schönheit der Musik und durch den BR-Chor, der aus dem hebräischen Schlusschor ein Monument der Selbstvergewisserung und des ewigen und unabdingbaren Angedenkens macht.

Danach, am Tag, an dem Joachim Kaiser stirbt, Mozarts Requiem. Uwe Schrodi spielt die Posaune im "Tuba mirum", fabelhaft. Der Text auf Deutsch: "Laut wird die Posaune klingen, durch der Erde Gräber dringen." Das hört man an einem solchen Tag auch anders. Und irgendwie ist man froh, dass Jansons hier keine harte Totenmesse dirigiert, sondern eher ein Stück Musik in oft schwebender Schönheit. Es geht ihm nicht um Rhetorik, mehr um Transzendenz. Und Transparenz, obwohl ein Alte-Musik-Profi hierbei noch ganz anders zu Werke ginge. Dennoch ist alles erstaunlich filigran, der Chor weich und doch verstehbar, die Solisten, außer Adam Plachetka, folgen bestens dem Diktat der Opernferne, Genia Kühmeier, die empathische Elisabeth Kulman und der wie oft so herrliche Mark Padmore.

© SZ vom 13.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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