Konzert:Endzeitgeraune

Lesezeit: 2 min

Die slowenische Band "Laibach" versetzt ihre Zuhörer in der Muffathalle in einen Multimediarausch

Von Ralf Dombrowski, München

Jeder bekommt, was er verdient. Für ihr Konzert in Nordkorea packten Laibach das amerikanische Widerstandsmärchen rund um die Trapp-Family "The Sound Of Music" in ein metallenes Klanggewand. Beim Gastspiel in München wiederum wird mit dem "Zarathustra" und ein paar Verweisen auf frühere Programme wie "Spectre" konfrontiert. Denn nachdem sich die Slowenen im Laufe der Jahrzehnte mit Shakespeare und Faschismus, Religionswahnsinn, Postkommunismus, Kriegstreiberei, Bach, Wagner oder auch der Nato beschäftigt haben, wenden sie sich nun dem wortmächtigen Endzeitgeraune Friedrich Nietzsches zu und packen dessen Aphorismen in ein emphatisches Rockspektakel.

Es sind Reflexionen über das Scheitern, für den Philosophen eine Grundlage seiner Sprachbetrachtungen und für Laibach der Ausgangspunkt eines vielfach gebrochenen semiotischen Bombardements, das die Zuhörer in einer zur Black Box verwandelten Muffathalle umfängt. Das eine ist dabei die Musik, die sich souverän eklektisch von Technoidem und verschiedenen Metal-Spielarten bis zum Bombast-Pop überall bedient, wo es sinistre Klangatmosphären zu adaptieren gibt. Dabei geht es Laibach weniger um die Herausarbeitung eines speziellen Stils, sondern eher um die Erstellung von passenden akustischen Transportmodi für die Botschaften des Gesamteindrucks.

Schon das ist eine verschmitzte Herausforderung des Publikums, denn es widerspricht als funktionales Muster einem Künstlermodell, das sich über die eigene Unverwechselbarkeit definiert. Die zweite Ebene sind die Worte, von Milan Fras mit Grabesstimme rezitierte Sätze aus dem "Zarathustra", aber auch von seiner Kollegin Mina Špiler herausgesungene, skandierte, stellenweise geschriene Phrasen in wechselnden Sprachen als Kontrapunkt des Gravitätischen. Wieder wird mit den Niveaus gespielt, denn neben Deutsch wird in mindestens drei weiteren Sprachen agiert, ohne dass gewährleistet ist, dass jeder im Raum alles versteht. Als drittes schließlich kommt die optische Ebene ins Spiel, die mit einer großen Leinwand und vier halbdurchsichtigen Textilflächen dem Bühnengeschehen ein eigenes Narrativ hinzufügt. Auch hier wird geklittert, was geht, unter Rückgriff auf das reichhaltige Reservoir der europäischen Avantgarde des 20. Jahrhunderts von Russland bis Spanien und auf die Möglichkeiten lichtstarker Projektoren. Dadaistische und futuristische Motive treffen auf ein zerhackstücktes "Guernica", auf kommunistische Plakatgrafiken und Zeitlupenadler, einen schwebenden Fötus, eine sprudelnde Quelle, einen ästhetischen Atompilz. Es ist ein im Dunklen gehaltenes Bildinventar der Bedrohung, ungemein suggestiv in der Kombination, das die Menschen in einen Multimediarausch versetzt. Das können Laibach mit betörender Präzision, ebenso die Auflösung ins Triviale.

Unmittelbar nach der Show werden die Zuhörer mit einer dudelnden Farfisa-Orgel-Version von "Paper Moon" in die kalte Münchner Nacht entlassen. Und auch ein bisschen in die Ratlosigkeit. Denn so sehr auf der einen Seite die Rhetorik des Konzerts mit seiner ganzen Bild-, Wort- und Tongewalt eine tiefere Bedeutung behauptet, so ambivalent lassen Laibach die klare Aussage offen. Mit dieser Methode haben sie sich in ihren frühen Jahren manchen Ärger eingehandelt, weil vor allem das Spiel mit den Mitteln von Propaganda und Totalitarismus zu den wenigen gut funktionierenden Tabus der damaligen Zeit gehörten. Die Gegenwart jedoch ist vielgestaltiger und hat längst Laibach-Epigonen wie Rammstein im ästhetischen Mainstream etabliert. Die Zukunft hat die Pioniere der Provokation eingeholt. Und so geht Milan Fras mit melancholischem Lächeln von der Bühne.

© SZ vom 06.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: