Konzert:Ein Gewittertag am Meer

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Ganz die Alten: Thomas D., Michi Beck und Smudo (von links) bleiben ihrem Stil treu - in der Kleidung wie auch in ihren wenigen neuen Stücken. (Foto: Ralf Dombrowski)

Die wahre Botschaft der "Fantastischen Vier" geht in der Lichterflut der Olympiahalle unter

Von Sarah Bioly, München

Ein Meer aus erhobenen Armen, getaucht in blaues, rotes, grünes Licht. Die Fantastischen Vier bringen die Masse in der Olympiahalle zum Toben. Ja, München kann rocken, sagt Smudo, Juror einer TV-Casting-Show und vielleicht Deutschlands bekanntester Rapper. Der erste Song - eines ihrer bekanntesten Stücke "Die da!?!" -, und schon haben sie das Publikum auf ihrer Seite. Die Fanta 4 können es noch und scheinen kaum gealtert: Baggyhose, Cap, Turnschuhe - damals im Hip-Hop so schick wie heute. Ihre Outfits sind in das Bühnenbild integriert: Sie sind ganz in Schwarz-Weiß die optischen Ruhepole eines farbigen Leuchtgewitters. Oft ist die Licht- und Video-Show einfach zu viel. Überrumpelt vom Visuellen, kann man sich nur mit geschlossenen Augen auf die Texte konzentrieren.

Haben sie überhaupt in ihrem 27. Jahr noch etwas zu sagen? Neues gibt es kaum. Aber zumindest haben sie ein paar alte Stücke umarrangiert: "Yeah Yeah Yeah" etwa als Old-School-Variante mit Plattenspieler und vier Mikrofonen, "Geboren" als Disco-Rock. Für ihre "Vier und Jetzt"-Tour haben die Stuttgarter zwar kein neues Album fertig, aber zumindest die Vorab-Single "Eines Tages". Und sie sind weiterhin am Texten, oder wie Thomas D. es ausdrückt: "Wir arbeiten an neuem Scheiß." "Endzeitstimmung" heißt der Arbeitstitel eines noch halb fertigen Songs, den sie dennoch spielen, weil ihnen das Thema offenbar wichtig ist: Die Fanta 4 werden darin politisch, ordnen sich selbst - natürlich - links ein. Über "Stolz", "Nation", "Wassermangel" und "Religion" rappen sie da. Es soll der Höhepunkt des Abends sein, bloß schade, dass ihr Text oft nicht zu verstehen ist. Nicht mit den neuen Songs überzeugen sie, sondern mit ihren alten Hits, wie "MfG", "Ein Tag am Meer" oder "Troy". Das sind die Momente, in denen das Publikum mitsingen kann und sich selbst als Bestandteil der Hip-Hop-Geschichte feiert.

Die dienstältesten Deutsch-Rapper sind längst in einer künstlerischen Phase angekommen, in der sie einen zweistündigen Konzertabend komplett mit Hits bestreiten können und dies auch fast tun. Eine Überraschung halten sie noch bereit: Sie holen den Sänger der Vorband, Seven, noch einmal für die Nummer "Name drauf" von 2015 auf die Bühne. Der Schweizer wirkt allerdings zwischen Smudo, Thomas D, Andi Ypsilon und Michi Beck deplatziert - und ebenso sein musikalischer Beitrag zum charakteristischen Sound der Fanta 4. Sein Pop-Gesang bügelt den Sprechgesang glatt, mit dem die Fantas in den Neunzigern tatsächlich einmal rebellierten.

Das Konzert endet mit einem Knall und goldenem Konfettiregen. Thomas D. wickelt sich in die Glitzerstreifen ein. Eine Persiflage auf die amerikanischen Hip-Hopper mit ihren Goldketten, Ringen und ihrem Gehabe. Über den Pomp der US-Rapper haben sich die Vier schon oft lustig gemacht. Da weiß man gleich wieder, was man an den Fantas überhaupt hat. Nach der Show laufen einige Zuschauer mit den Goldstreifen als Schal um den Hals drapiert nach Hause. Die Fantas sind immer noch geschmacksbildend.

© SZ vom 19.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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