Klassik:Amsterdamer Unikat

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Immer auf der Suche nach ungewöhnlichem Repertoire: Daniel Grossmann, Leiter des Orchester Jakobsplatz der Israelitischen Kultusgemeinde in München. (Foto: Thomas Dashuber)

Das Orchester Jakobsplatz führt zum Purim-Fest eine Rarität auf: Cristiano Giuseppe Lidartis Oratorium "Esther" in hebräischer Sprache

Von Egbert Tholl

Auch Daniel Grossmann gesteht freimütig, er habe von dem Komponisten bis vor kurzem noch nie etwas gehört gehabt. Das ist allein schon deshalb erstaunlich, weil Grossmann, des Leiter des Orchesters Jakobsplatz in München, ein großes Faible für entlegenes Repertoire hat. Der Komponist ist Cristiano Giuseppe Lidarti, er lebte von 1730 bis 1795, vor allem in Italien, wurde in Wien geboren und starb in Pisa und hinterließ unter anderem das Oratorium "Esther", das nun das Orchester Jakobsplatz aufführt, am Sonntag, 19. März, um 19 Uhr im Hubert-Burda-Saal der Israelitischen Kultusgemeinde anlässlich des Purim-Festes.

Das Besondere an "Esther": Es ist ein Oratorium in hebräischer Sprache. Der Text stammte von einem Rabbiner, der Auftrag an Lidarti von der jüdischen Gemeinde Amsterdam. "Man weiß nicht, wie die auf Lidarti kamen", so Grossmann. Man könne nicht einmal mit Bestimmtheit sagen, dass "Esther" überhaupt 1774 in Amsterdam aufgeführt wurde. Man weiß aber, dass es zu dieser Zeit in Amsterdam eine ungeheuer vitale, selbstbewusste Gemeinde gab. Wie sonst wäre zu erklären, dass man ein Werk bei einem nichtjüdischen Komponisten in Auftrag gab. Da war Lidarti auch nicht der einzige, der übrigens noch weitere hebräische Choräle und einzelne Kantaten hinterließ, aber eben nur ein Oratorium, bei dem auch noch Frauen mitwirkten. Zwar ist Purim, das Fest, das die Errettung des jüdischen Volkes aus der persischen Diaspora feiert, eine ausgesprochen lustige Veranstaltung, "ein bisschen wie Fasching" (Grossmann), vergleichsweise weltlich, auch wenn es mit einem Gottesdienst begangen wird. "Die Gemeinde muss in jeder Hinsicht extrem assimiliert gewesen sein", sagt Daniel Grossmann.

Musikalisch klinge "Esther" wie frühe Klassik, Grossmann vergleicht es mit Musik der Bach-Söhne oder der von Antonio Salieri. Man könne es fast als Bühnenstück aufführen, es sei in Szenen aufgeteilt, habe einen dramaturgischen Aufbau. Gefunden wurde es in Cambridge Library, in Israel wurde es ediert und aufführungsfertig gemacht. Das ist noch nicht einmal 20 Jahre her. "Ich wage zu behaupten, dass es die erste Aufführung in Deutschland ist."

Esther , So., 19. März, 19 Uhr, Jüdisches Zentrum, Jakobsplatz

© SZ vom 18.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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