Kino:Stadtneurotiker ohne Sarkasmus

Lesezeit: 3 min

Eine richtig gute romantische Filmkomödie: In "The Big Sick" erzählt der pakistanisch-amerikanische Drehbuchautor und Hauptdarsteller Kumail Nanjiani, wie er seine Ehefrau kennengelernt hat.

Von Philipp Bovermann

Wie arg es um das Grundvertrauen zwischen den Geschlechtern seit einiger Zeit bestellt ist, kann man auch am Zustand des Liebesfilms ablesen. Geliebt wird schon noch, aber wenn, dann eher im schweren Kostümgewand ("Tulpenfieber"), über einen unangenehmen Mordverdacht hinweg ("Meine Cousine Rachel") oder gleich im Folterkeller ("Fifty Shades of Grey").

"The Big Sick" hingegen ist wunderbar leichtherzig, eine richtig gute romantische Komödie - wann gab es das eigentlich zuletzt? Die lange Liste der Dinge, die an diesem Film alle toll sind, beginnt damit, dass es sich dabei nicht um irgendeinen Verwechslungs-und-dann-doch-Quatsch handelt, den sich ein Drehbuchschreiber aus den Fingern gesogen hat. Die Geschichte basiert darauf, wie der Hauptdarsteller Kumail Nanjiani seine (im Film von Zoe Kazan gespielte) Frau Emily kennengelernt hat - die beiden haben zusammen das Drehbuch geschrieben. Kumail war damals ein junger Comedian in Chicago und riss auf der Bühne Witze über den schrulligen Konservativismus seiner pakistanischen Eltern. Daraus zieht auch der Film immer wieder Lacher.

Es gibt den Running Gag des "Überraschungsbesuchs" beim Familien-Abendessen. Jemand klingelt an der Tür, "Huch, wer mag das sein?" Auf der Matte steht eine junge Frau, die, so die Mutter, "zufällig gerade in der Gegend war". Kumail soll heiraten, natürlich eine Pakistanerin, ob er will oder nicht. Er will nicht. Nach einer seiner Shows und einem herrlich blöden Spruch an der Bar landet er allerdings mit der blonden Studentin Emily im Bett seines WG-Zimmers. Die steht anschließend auf, will sich die Hose anziehen, er protestiert: Wir hatten doch noch gar nicht noch mal Sex! So ein Mädchen sei sie nicht, antwortet sie lächelnd. "Ich habe beim ersten Date nie zweimal Sex."

Leichtherzig: Kumail Nanjiani und Zoe Kazan in „The Big Sick“. (Foto: Weltkino)

Eigentlich datet sie gerade nicht, und er erzählt daraufhin etwas von einer "48-Stunden-Regel", was Treffen mit derselben Person angeht. Aber natürlich liegen die beiden trotzdem bald gemeinsam auf einer Couch, in ihre jeweiligen Bücher vertieft. Doch die Überraschungsbesuche beim Abendessen in der Wohnung von Kumails Eltern gehen weiter - sie wissen nicht, dass der Sohn eine Weiße datet. Emily erfährt davon, fühlt sich hintergangen und ist ebenso schnell weg, wie sie gekommen war. Kurz darauf landet sie im Krankenhaus. Offenbar ist es etwas Ernstes. Kumail kann dort nur noch ein paar kurze, unangenehme Worte mit ihr wechseln, dann wird sie ins künstliche Koma versetzt. Eine mysteriöse Infektion arbeitet in ihr. Kumail beschließt zu bleiben.

Das ist natürlich sehr süß, aber vor allem ist es auch furchtbar lustig. Denn die treue Wartezeit ist hier keine Montagesequenz mit Klaviermusik, sondern eine zähe Auseinandersetzung mit Emilys Eltern, die ebenfalls dort ausharren. Sie wissen natürlich, wer er ist, warum ihre Tochter sich von ihm getrennt hat. Emilys streitbare Südstaaten-Mutter vergiftet ihn quer durch den Wartebereich mit Blicken, der Vater ist ein gutmütiger, stets leicht überforderter New Yorker, ein Typ wie Kumail, vielleicht baut er ihm deshalb Brücken.

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In einer rührenden Szene quartiert er sich, weil in seiner Ehe auch nicht immer alles eitel Sonnenschein ist, auf einer Matratze in Kumails WG-Zimmer ein. Dort liegend erzählt er, als wären sie zwei zu große Jungs bei einem Übernachtungsbesuch, dass er in einem schwachen Moment seine Frau betrogen und erst dadurch begriffen habe, wie sehr er sie liebt. Kumail fasst stirnrunzelnd zusammen: "Ich muss also jemanden betrügen, um ihn richtig lieben zu können?"

Solche Merkwürdigkeiten zu entdecken und sie anschließend mit Humor zu kitten, überlässt der Film seinen Figuren, anstatt den Witz in die Situationen auszulagern, was in romantischen Komödien oft zu Gags vom Typ "Huch, meine Haare!" führt. Die Geschichte vom treuherzig guckenden Stand-up-Clown mit den pakistanischen Eltern, ungeschickter Held seiner eigenen romantischen Geschichte, erinnert in ihrer Lebensnähe an Woody Allens "Stadtneurotiker", nur ohne Sarkasmus und mit Happy End. Klingt gut? Oh ja.

Die Menschen machen Fehler in "The Big Sick", aber sie dürfen es. Sie machen Fehler. Wenn sie nicht mehr weiterwissen, machen sie einen Scherz. Fällt ihnen kein Scherz mehr ein, ist es auch nicht schlimm. Man verliebt sich nicht zwangsläufig in den lustigsten Comedian. Sondern in den nettesten.

The Big Sick , USA 2017 - Regie: Michael Showalter. Buch: Emily V. Gordon, Kumail Nanjiani. Kamera: Brian Burgoyne. Mit: Kumail Nanjiani, Zoe Kazan, Holly Hunte r. Verleih: Weltkino, 120 Minuten.

© SZ vom 17.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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