Kino:Schwere Geburt

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Die Münchner Dramödie "Dinky Sinky" handelt vom unerfüllten Kinderwunsch einer modernen Frau. Der lange Weg von Mareille Kleins starkem Debüt zeigt, welche Probleme junge Filmemacher derzeit haben - und welche Chancen

Von Bernhard Blöchl

Sex in der Dusche ist auch keine Lösung. Zu dieser Erkenntnis kommt Frida gleich zu Beginn des Films. Eigentlich hat sie keine Lust auf Sex, weshalb sie die Avancen ihres Freundes zunächst ablehnt. Sagt, sie habe keine Zeit. Dann aber werden der Protagonistin ihre fruchtbaren Tage bewusst, und sie steigt zu dem Abgewiesenen unter den Brausekopf zurück. Sein Spaß ist ihr Ernst. Denn Frida will unbedingt schwanger werden. Seit zwei Jahren ohne Erfolg, pardon, seit zwei Jahren und einmal Sex unter der Dusche.

Als schwere Geburt kann man auch den Film von Mareille Klein bezeichnen. Wenn er in diesen Tagen bundesweit in den Kinos startet, dann liegen die Dreharbeiten zweieinhalb Jahre zurück, die umjubelte Premiere beim Filmfest München eineinhalb Jahre. "Dinky Sinky", so heißt die Abschlussarbeit der HFF-Studentin, ist zweierlei: eine herausragende Dramödie mit starkem Thema (Kinderwunsch der modernen Frau) und ebenso starkem Cast (so gut wie das halbe Residenztheater spielt mit), aber eben auch ein Problemfilm.

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Nun ist die Geschichte hinter den Kulissen mindestens so spannend wie die Handlung selbst. Sie zeigt exemplarisch, wie schwer es kleine Filme ohne großes Budget haben können, den Weg ins Kino zu finden - selbst wenn sie auf Festivals hochgejazzt wurden. Sie zeigt auch, welche Probleme und Chancen junge Filmemacher haben in einer Zeit, in der mehr geschrieben, gespielt, gedreht wird, als jemals zuvor. Fabian Halbig, 25, ist einer der Produzenten. Er sagt: "Ich glaube, es gibt kein besseres erstes Projekt, keinen besseren Langspielfilm, wenn man von der HFF kommt und lernen will, wie's läuft, als 'Dinky Sinky'. Von null bis hundert ist alles schief gelaufen." Sein Kollege Florian Kamhuber, 27, sagt: ",Dinky Sinky' wurde für mich persönlich zum Synonym für: jeden Tag eine Million Probleme lösen."

Die Geschichte beginnt eben da: an der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF). Hier begegnen sich vor mehr als fünf Jahren die beiden Studenten Halbig und Kamhuber. Der eine hat eine frühe Karriere als Schlagzeuger bei den Killerpilzen hingelegt, der andere war als Teenager eine Weile persönlicher Praktikant von Leo Kirch. Beide studieren "Produktion und Medienwirtschaft". Florian Kamhuber erinnert sich: "Ich wusste nicht, wer er war, ich mochte die Killerpilze nicht. Ich fand die scheiße." Dennoch bewahrheitet sich, was ihnen ein Professor mit auf den Weg gibt: "Die Leute, die euch als allererstes aufgefallen sind, werden die sein, mit denen ihr für den Rest eurer Karriere zu tun haben werdet." Fortan stemmen sie gemeinsam Kurzfilme und gründen die Firma Nordpolaris. Unter diesem Namen werden sie später die Hip-Hop-Doku "Wenn der Vorhang fällt" (2016) sowie das Killerpilze-Porträt "Immer noch jung" (2017) ins Kino bringen, das beim Filmfest München mit dem Publikumspreis von Süddeutsche Zeitung und Bayern 2 ausgezeichnet wird.

Mit Kinderwägen kennt sich Frida (Katrin Röver) bestens aus. Von dem Wissen profitieren in erster Linie ihre Freundinnen, ihr selbst blieb das Baby-Glück bisher verwehrt. (Foto: Koryphäen Film)

Als sich Mareille Klein, ebenfalls HFF, mit ihrem Filmstoff bei ihnen meldet, sind sie noch weit entfernt vom Roten Teppich. "Uns war sofort völlig klar: Okay, das machen wir", erinnert sich Fabian Halbig an den Beginn des Jahres 2015. Gemeinsam mit der Firma Lüthje-Schneider-Hörl bilden sie eine Produzenten-Gemeinschaft. "So eine Gemeinschaft ist ein klassisches HFF-Modell für einen ersten Langfilm. Man hievt sich gegenseitig hoch und profitiert voneinander", erklärt Halbig. Der Esprit ist da. Der Film-Fernseh-Fonds Bayern sagt eine Förderung zu, das Buch wächst, gedreht wird im Sommer 2015, hauptsächlich in München. Fabian Halbig ist sich sicher: "'Dinky Sinky' wird unser erster Kinofilm. Ohne zu wissen, wie der finanziert wird."

Dieses unbedingte Wollen, das passt gut zum Stoff des Films. Auch Frida (großartig: Katrin Röver) hat nur dieses eine Ziel, dafür tut sie alles. Sex nach Fahrplan, medizinische Beratung, Infos über Samenbänke. Wie der Titel "Dinky Sinky" schon verrät - Akronyme für Double Income No Kids Yet, Single Income No Kids Yet -, will es mit dem herbeigesehnten Nachwuchs nicht klappen. Weder in der Beziehung mit ihrem Freund Tobias (Till Firit), noch als dating-freudiger Single, nachdem Tobias sich verabschiedet hat. Sein Kommentar: "Ich bin nicht dein verdammter Zuchthengst." Ansonsten lebt die Geschichte von einem warmherzigen Humor, und man erkennt Mareille Kleins Ausbildung zur Dokumentarfilmerin. Sie ist nah dran an ihrer Protagonistin, folgt ihr sachte und feinfühlig auf ihrem Weg zu mehr Gelassenheit. Dafür gibt es beim Filmfest München 2016 unter anderem den Förderpreis Neues Deutsches Kino für das Beste Drehbuch. Der BR steigt als Sender ein, und der Kritiker Boyd van Hoeij schreibt im Hollywood Reporter die steile Zeile: "This bavarian Bridget Jones is a winner!"

Viel gelernt: die jungen HFF-Absolventen und Produzenten Fabian Halbig (links) und Florian Kamhuber. (Foto: Nordpolaris)

Auch ein Verleiher wird auf den Film aufmerksam. Im Premierenrausch keimt die Hoffnung auf einen baldigen Kinostart auf. Dann die Ernüchterung. Es passiert, was viele Kulturschaffende kennen: Die Veröffentlichung wird verschoben, "Dinky Sinky" mehrmals. "Das hing mit internen Komplikationen beim Verleih zusammen", behauptet Fabian Halbig. Namen will er nicht nennen. Ein Jahr vergeht, das Warten muss zehrend sein für das Team: für die Regisseurin, die ihr Herzblut in einen sehr persönlichen Stoff steckt; für das Ensemble, das aus weiteren Resi-Schauspielern (Ulrike Willenbacher, Götz Schulte, Nora Buzalka, Katharina Pichler) sowie namhaften Kollegen (Michael Wittenborn) und großen Talenten (Marc Benjamin) besteht.

Dann passiert etwas, das typisch ist für die junge Filmszene. Neue Partnerschaften entstehen, man nimmt die Dinge selber in die Hand. Im Sommer 2017 lernt Fabian Halbig Felix Starck kennen, der mit seinen Dokus "Expedition Happiness" und "Pedal The World" zwei Überraschungs-Hits gelandet hat, im Eigenverleih. Die beiden verstehen sich und spielen mit dem Gedanken, "Dinky Sinky" selbst herauszubringen. "Wir hatten ein sehr offenes Gespräch mit unserem Verleiher", sagt Florian Kamhuber. Am Ende sei der Vertrag aufgelöst worden, obwohl sie damit erneut ein Risiko eingehen. Wie schon beim Drehen. "Wir hatten unter 100 000 Euro Barmittel", sagt der Ismaninger, der die Kosten auf mehr als 500 000 beziffert. "Die Differenz haben wir ausgeglichen, mit unserer Arbeit, also vom ganzen Team. Fabi und ich waren zwischendurch Szenenbildner, Fahrer, Set-Runner, alles." Wenn der Film nun ins Kino kommt, wird er von Starcks Firma Koryphäen Film verliehen, für die auch Halbig inzwischen arbeitet.

Am Ende von "Dinky Sinky", so viel darf verraten werden, hat die Protagonistin gelernt, die Erwartungen an sich selbst ein bisschen zurückzufahren. Nicht so die Kollegen von Nordpolaris. "Wenn wir für diesen Film kein Kino in München gefunden hätten, hätte ich ein Kino gebaut." Sagt Halbig und freut sich auf die Vorführung mit Regiegespräch an diesem Sonntag im Arena Filmtheater (18.30 Uhr). Ihr Baby ist in der Welt. Und weitere sind in der Mache.

Dinky Sinky , Regie: Mareille Klein, läuft täglich im Arena Filmtheater

© SZ vom 09.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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