Kino:Leere & Liebe

'The Canyons' Premiere - The 70th Venice International Film Festival

Für Paul Schrader, ist das Kino nur eine Zwischenstation, zwischen den Romanen des 19. Jahrhunderts und der Welt der synthetischen Bilder und Töne des 21. Jahrhunderts.

(Foto: Pascal Le Segretain/Getty Images)

Brutal und direkt sind seine Drehbücher und Filme, über die Qualen des Einzelgängertums: Paul Schrader wird siebzig.

Von Fritz Göttler

Von all den wilden, respektlosen Geschichten, die Peter Biskind in seinem famosen Buch "Easy Riders, Raging Bulls" über das Durchstarten des jungen amerikanischen Kinos in den Siebzigern erzählt, sind die von Paul Schrader die schauerlichsten. Die Smith & Wesson protzig auf dem Nachttisch, ziellose Fahrten durch die New Yorker Nacht, Whiskey, bis der Magen rebellierte. Die Versuche, in Schreibgewaltmärschen mit dem Bruder Leonard fabrizierte Drehbücher den Hollywoodstudios zu verkaufen ("Yakuza", gefilmt mit Robert Mitchum). Vor allem aber das calvinistische Elternhaus im kalten Grand Rapids, Michigan, wo Paul am 22. Juli 46 geboren wurde.

Brutal und direkt sind die Bücher und Filme von Paul Schrader, über die Qualen des Einzelgängertums, das aber immer auf eine totale Erlösung zusteuert - auf die entschiedene Aktion, und der Zuschauer muss mitmachen dabei. Sie zwingt ihn zur Konfrontation mit dem ganz Anderen, die er normalerweise vermeidet. Er steht dann einem unerklärlichen spirituellen Akt gegenüber in einem kalten Umfeld, einem Akt, der nun seine Teilnahme und seine Bestätigung verlangt. Ironie kann seine Entscheidung nicht länger hinausschieben. Zum ersten Mal ist das durchgespielt im "Taxi Driver", den Schrader für Martin Scorsese schrieb.

Der "Taxi Driver" war der Durchbruch für Schrader, er hat diesen besessenen Loner dann in seinen eigenen Filmen fortentwickelt. 1980 "American Gigolo", Richard Gere als L.A. Callboy par excellence, dann wollte er den Sänger Hank Williams porträtieren, das Script blieb unverfilmt. Stattdessen wandte er sich Yukio Mishima zu, dem japanischen Starautor, dem das Schreiben zu wenig war, der den Seppuku inszenierte, den Ritus von Liebe und Tod.

"Am Schluss ist Leere. Oder Liebe - die glaubt aber keiner mehr." Sagt Christian Petzold vom American Gigolo. Der Film ist ein Gegenstück zu "Pretty Woman" des eben gestorbenen Garry Marshall, und Schrader hat deshalb Marshalls Schauspielerliebling Hector Elizondo in den Film gesteckt, als L. A. Cop, der vom Gigolo seiner Schlabbrigkeit wegen fürchterlich geschunden wird. "Es gibt keine Produktion mehr", so Petzold zu "Pretty Woman" (und es gilt auch für den "Gigolo"), "man verkauft seinen Körper oder man zerschlägt das, was übrig ist. Das Kino spürt, dass es selbst betroffen ist, und wird Märchen."

Die Selbstbetroffenheit war immer heftig bei Paul Schrader. Er macht sich keine Illusionen über die Zukunft des Kinos. 2006 schrieb er für die Zeitschrift Film Comment eine kleine Geschichte des Kanons, von Benjamin bis Harold Bloom, und weshalb er nun doch keinen Kino-Kanon machen will: "Ich habe vielleicht noch zehn Jahre Filme in mir, und ich bin vollkommen zufrieden, das erschöpfte Pferd, das wir Kino nennen, in den filmischen Sonnenuntergang zu reiten." Nun, am Ende der zehn Jahre hat er "Dog Eat Dog" gemacht, eine absurde Loser-Epiphanie, mit Nicolas Cage und Willem Dafoe, und auch Paul Schrader spielt einen von ihnen.

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