Kino:Aus dem Schatten in das Licht

Lesezeit: 4 min

Christine Ruppert kam als Quereinsteigerin in die Branche. Mittlerweile produziert die Münchnerin internationale Filme, darunter zuletzt "Euphoria" mit der Oscar-Preisträgerin Alicia Vikander. Ihr nächstes Ziel: Sie will Regie führen

Von Josef Grübl

Die Realität ist im "Schumann's" nur eine Armlehne von der Fiktion entfernt. Die Filmproduzentin Christine Ruppert sitzt an einem heißen Frühlingstag mit einem Geschäftspartner in einer etwas ruhigeren Ecke, und man fragt sich: War es dieser Tisch hier oder der daneben? Wie fiel das Licht? Und könnte diese Begegnung auch auf der Leinwand stattfinden? Ja, könnte sie, denn hier wurde Rupperts Film gedreht. Aus der Realität der wohl berühmtesten Bar Deutschlands wurde ein fiktiver Gourmettempel mit schönen Frauen beim Dinner und edlen Männern, die um ebenjene Frauen buhlen. So viel Eleganz und gutes Benehmen gibt es hier sonst selten, dafür muss man schon ins Kino gehen: "Euphoria" heißt der Film, der an diesem Donnerstag anläuft.

Eine Frau mit Weitblick: Als Koproduzentin des zum Teil in München gedrehten Dramas "Euphoria" hatte es Christine Ruppert mit Hollywood-Größen zu tun. Nächstes Ziel: Regie führen. (Foto: Robert Haas)

Er beginnt wie eine luftige Sommerromanze mit München in der Hauptrolle, die Hauptdarstellerinnen sind Hollywood-Stars, sie spielen zwei Schwestern, die im "Bayerischen Hof" einchecken und durch den Hofgarten schlendern. Bald aber geht es weiter nach Mittelfranken, in ein Schloss aus dem 18. Jahrhundert, dort kippt die Stimmung.

Christine Ruppert ist Koproduzentin dieses schwedisch-deutschen Dramas. Als Treffpunkt hat sie passenderweise das "Schumann's" vorgeschlagen, hier ist sie öfter; hier kann sie den Kellnern sagen, wenn etwas nicht passt. So ist zum Beispiel der bestellte Kaffee zu kalt. Liegt aber nicht am Service, das weiß sie. Sie hat einfach so viel zu erzählen, dass sie nicht zum Trinken kommt. Also bestellt sie noch einen Espresso - der aber auch beim zweiten Versuch kalt wird. Ruppert ist schon lange im Geschäft, sie gründete ihre Produktionsfirma Tatfilm Mitte der Neunzigerjahre, in der Öffentlichkeit bekannt ist sie nicht. "Wer interessiert sich schon für Produzenten", sagt sie lachend. Das Rampenlicht überlässt sie anderen: der schwedischen Oscar-Preisträgerin Alicia Vikander etwa, die in dem von ihrer Landsfrau Lisa Langseth inszenierten "Euphoria" nicht nur die Hauptrolle spielt, sondern den Film auch mitproduziert hat. Für Vikander ist es ein kleines, familiäres Projekt.

Familiäre Stimmung herrschte auch am Set: "Michael Fassbender ist eine Woche lang durch München spaziert und keiner hat ihn erkannt", erzählt Ruppert von den Dreharbeiten im August 2016, Alicia Vikander brachte ihren damaligen Freund und heutigen Ehemann als Begleitung mit. Trotz der prominenten Besetzung (Vikanders Filmschwester spielt Eva Green, auch Charlotte Rampling spielt mit) ist "Euphoria" kein einfacher Film, er hält den Zuschauer auf Distanz, erst nach und nach stellt sich heraus, dass es um Sterbehilfe geht. Solche Kinostoffe lassen sich schwer finanzieren, oft geht es nur mit internationalen Partnern. In diesem Fall waren auch der Film-Fernseh-Fonds Bayern (FFF) und der Deutsche Filmförderfonds (DFFF) beteiligt, sie steuerten knapp 1,5 Millionen Euro zu dem Projekt bei, das 5,5 Millionen Euro gekostet hat. Deshalb wurde der Film auch komplett in Bayern gedreht - die Regularien der Förderer sehen vor, dass ihre Gelder hier ausgegeben werden müssen. "Bei diesem Projekt waren wir bereits früh in die Motivsuche eingebunden, da es zunächst darum ging, ob man das Hauptmotiv überhaupt in Bayern findet", erzählt Anja Metzger vom FFF Bayern, sie beriet sich mit Ruppert und schlug den Produzenten Schloss Dennenlohe im Landkreis Ansbach vor. Dort wurde der größte Teil des Films gedreht, die Postproduktion fand in Stockholm und München statt.

Die Schauspielerinnen Alicia Vikander und Eva Green waren für einen Teil der Dreharbeiten zu "Euphoria" in München. (Foto: Jürgen Olczyk/Wild Bunch)

Für Ruppert sind solche Konstellationen Alltag, sie beteiligt sich oft als internationale Koproduzentin an Kinofilmen, unter anderem am Oscar-Gewinner "Der letzte König von Schottland", an Werner Herzogs Kinski-Doku "Mein liebster Feind" oder an Ulrich Seidls "Paradies"-Trilogie. "Das ist meine Nische", sagt sie. Man dürfe nur nicht zu gierig sein, solche Projekte seien vertrackte Angelegenheiten. "Film ist wie eine Ehe", fährt sie fort, "man sollte sich schon etwas kennen, bevor man gemeinsam ins Bett steigt." Bei ihr dauerte es ein Weilchen, bis sie ihren Platz im Berufsleben fand, sie kam als Quereinsteigerin in die Branche. Als Tochter eines Bauunternehmers wuchs sie bei Würzburg auf, ihre Familie betrieb auch ein Hotel in Ochsenfurt. Sie studierte BWL und arbeitete im Modehandel, Anfang der Achtzigerjahre lernte sie das Filmemacherpaar Michael Verhoeven und Senta Berger kennen, die wegen eines Projekts in Nordbayern waren und im Hotel der Eltern abstiegen. Das war ihr erster Kontakt zur Filmbranche, sie ging nach München und arbeitete einige Jahre lang für Verhoevens Firma Sentana Film. Bei den Dreharbeiten zur Tabori-Verfilmung "Mutters Courage" im Jahr 1995 lernte sie den britischen Produzenten James Mitchell kennen, dieser schlug ihr eine Zusammenarbeit vor. So entstand 1998 das Glücksspieldrama "Der Croupier" mit Clive Owen. Bald schon drehte Ruppert Filme in Deutschland und im europäischen Ausland, mit Stars wie Sally Hawkins, Tim Roth oder Kevin Spacey. Nicht immer war sie erfolgreich, sie musste auch Flops wie Michael Glawoggers "Das Vaterspiel" oder Marleen Gorris' "Mitten im Sturm" wegstecken, Firmen-Niederlassungen in Köln und Halle wurden wieder geschlossen. Doch sie gab nicht auf, heute führt sie ihre Geschäfte als Einzelkämpferin von München aus.

YouTube

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von YouTube angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von YouTube angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Anspruchsvolle Filme haben es schwer im Kino, die meisten von ihnen verschwinden bald wieder, dieses Schicksal könnte auch "Euphoria" ereilen. Christine Ruppert weiß das, sie nippt an ihrem kalten Espresso und sagt: "Dieses Gejammer gibt es schon seit 20 Jahren. Der Arthouse-Film wird überleben." Vielleicht sorgt sie sogar selbst dafür: Aktuell bereitet sie ihr Regiedebüt vor, es soll eine Slapstick-Komödie werden, die in China, Frankreich, Deutschland und Italien spielt. Nächstes Jahr will sie drehen. Und noch bevor Fragen nach ihrem Alter oder ihrer Ausbildung laut werden, erzählt sie vom 87-jährigen Jean-Luc Godard, der gerade beim Festival in Cannes seinen neuen Film gezeigt hat. "Das wäre mein Traum", sagt sie, "ich will mit 90 einen Film in Cannes haben."

© SZ vom 23.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: