Kino:Alles über die Liebe

Lesezeit: 3 min

Glücksfall eines wahren Melodrams: "Am grünen Rand der Welt", der Roman von Thomas Hardy, verfilmt von Thomas Vinterberg.

Von Fritz Göttler

Den "dänischen Handschlag", erklärt der Regisseur Thomas Vinterberg, den hätte er für diesen Film erfunden, der komme nicht vor im Roman "Far from the Madding Crowd/Am grünen Rand der Welt" von Thomas Hardy. Den dänischen Handschlag, so nannte Vinterbergs Team jene Szene, in der der junge Sergeant Frank Troy der jungen Gutsherrin Bathsheba Everdene zwischen die Schenkel greift. Kurz darauf werden die beiden heiraten. Zwei andere Männer aus Bathshebas Umfeld werden mit dieser Hochzeit das Nachsehen haben.

Das mit dem Nachsehen muss man wörtlich nehmen in diesem Film, in dem unheimlich oft über Blicke kommuniziert wird. Es ist nicht leicht für eine Frau, in einer Sprache ihre Gefühle auszudrücken, die vorwiegend von Männern gemacht wurde, um ihre auszudrücken, sagt Bathsheba. Manchmal, das war im Roman so und ist nun so im Film, ist es die Koketterie, die die größte Authentizität und Wahrhaftigkeit erzeugt.

Es geht um Liebe. Und es ist die einfachste Geschichte der Welt: Ein Mann liebt eine Frau und fragt sie, ob sie ihn heiraten will. Die Frau sagt Nein. Er kann das nicht verstehen und bleibt in ihrer Nähe, es ist seine Art der Treue, und wartet, was sich weiter ergeben wird. Und wie alles - das Zielstrebige wie das Zufällige, das Vernünftige wie das Absurde, das Normale wie das Abartige - dann plötzlich mit einer gewissen Logik zusammenspielen mag. Der Mann, es ist der Schäfer Gabriel, verliert seine Herde. Die junge Frau, das ist Bathsheba, erbt einen Hof. Der Mann verdingt sich dort. Die Frau spielt mit einem älteren Gutsbesitzer in der Nachbarschaft. Dann wird sie von Sergeant Troy fasziniert und der, dem früher schon mal eine Hochzeit verpatzt wurde, heiratet sie. Auch er weiß, was wahre Liebe ist, aber er fühlt sie nicht zu Bathsheba.

Ich will euch alle erstaunen, sagt Bathsheba...

Matthias Schoenaerts ist der Schäfer Gabriel, er spielt, nach der Abweisung durch die geliebte Frau, mit der gleichen Gelassenheit, die man in "Der Geschmack von Rost und Knochen" so bewundert hat. Ein Westerner in der südwestenglischen Hügellandschaft. Carey Mulligan ist Bathsheba, sie hat eine Ernsthaftigkeit, die manchmal schnippisch, aber nie verkrampft oder überheblich ist und sich nie aufplustert zur Emanzipation. Sie reitet und schießt, macht knallharte Deals mit den Händlern, und steigt in das Wasserbecken, wo die Schafe gewaschen werden, zu Gabriel. Ich will euch alle erstaunen, sagt sie zu ihrem Gesinde, als sie die Farm übernimmt, und das schließt sie selbst mit ein. Gemeinschaftsgefühl ist die große Tugend dieses Films, zusammenarbeiten, beobachten, was der andere macht, sich verlassen können, kommunizieren, die Geduld nicht verlieren. Eine Utopie, die erst das Kino vollends realisieren konnte, als es die Mechanismen der Imagination erforschte. "Denn die Freude, sie wenigstens gesehen zu haben, ließ ihm zunächst den großen Unterschied zwischen Sehen und Haben nicht bewusst werden", heißt es im Roman.

Gemeinschaftsgefühl, Loyalität, das verspürten auch alle Mitarbeiter des Films Thomas Hardy gegenüber. Und Thomas Vinterberg beweist erneut, dass die Leute der dänischen Dogma-Bewegung - er hat damals, 1998, als Junior, den Dogma-Film Nr. 1 gefertigt, "Das Fest" - zu den wahren Melodramatikern des modernen Kinos gehören. Das wahre Melodram, dem das Glück weniger bedeutet als die Leidenschaft, das von der Wahl zwischen dem Leiden und dem Nichts handelt.

Eine Leidenschaftlichkeit herrscht in diesem Film, die den Menschen, selbst wenn sie von der Liebe verstört und vom Leid niedergedrückt sind, immer ihre Freiheit lässt. Eine Freiheit, die auch Thomas Vinterberg verspürte, der mit vielen seiner Filme nach dem "Fest" wenig Erfolg hatte. Ich dachte, ich hätte das nun verdient, hat er gesagt: "Ich spürte die Erleichterung, dass ich diese Geschichte nicht selbst geschrieben hatte. Ich wusste, ich mache einen Thomas-Hardy-Film, keinen Thomas-Vinterberg-Film."

Far from the Madding Crowd, GB 2015 - Regie: Thomas Vinterberg. Buch: David Nicholls. nach dem Roman von Thomas Hardy. Kamera: Charlotte Bruus Christensen. Musik: Craig Armstrong. Schnitt: Claire Simpson. Mit: Carey Mulligan, Matthias Schoenaerts, Michael Sheen, Tilly Vosburgh, Mark Wingett, Dorian Lough, Sam Phillips, Tom Sturridge, Juno Temple . 20th Century Fox, 119 Minuten.

© SZ vom 21.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: