Kabarett:Spaßbefehl vom Zentralkomitee

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Bitte lächeln: In München hat Tilman Birr seinen ersten namhaften Preis gewonnen. (Foto: Sarah Bosetti)

Tilman Birr ist Kabarettist, Autor und Musiker - einen Überblick über seine diversen Talente bekommt man in der Lach- und Schießgesellschaft

Von Oliver Hochkeppel

Seit einiger Zeit gibt es ja einen völlig neuen Typ Kabarettist: Die textgetriebenen Multitasker und Multitalente, die zumeist von den Lesebühnen und Poetry Slams kommen und dann wie ein Marc-Uwe Kling auch auf anderen Bühnen von den Clubs bis zum Kabarett zu Hause sind, die nebenbei Bücher schreiben, Musik machen und Funk- und Fernsehformate ausprobieren, bis kaum mehr klar ist, was denn eigentlich die Hauptbeschäftigung ist. Tilman Birr ist auch so einer.

Die Lesebühnen sind seine Heimat, der er eisern treu bleibt. In seiner Geburtsstadt Frankfurt am Main ist er nach wie vor Gastgeber bei der von ihm 2002 mitbegründeten "Lesebühne Ihres Vertrauens", derzeit zusammen mit Elis, Severin Groebner und Lisa Danulat. In seiner Wahlheimat Berlin moderiert er mit Maik Martschinkowsky den "Saalslam" in Neukölln, außerdem hat er unlängst mit Michael Bittner und anderen eine neue Lesebühne gegründet, das "Zentralkomitee Deluxe". Naturgemäß sind auch bei Birr eigener Alltag und Biografie die wichtigsten Quellen seiner Texte. Seine Vergangenheit als studierter Historiker, der dann Fremdenführer auf Spree-Dampfern war, hat ihm aber auch früh andere Tätigkeitsfelder eröffnet. Sein erstes Kabarett-Soloprogramm "Das war hier früher alles Feld" speiste sich - wie schon der Titel andeutet - zu einem Gutteil aus diesen Erfahrungen, genau wie sein beim Münchner Manhattan-Verlag 2012 erschienenes Buch "On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers". Da war Birr die erste Wahl für den Berlin-Band zum Start der vom Kabarett-Fernsehproduzenten (unter anderem "Ottis Schlachthof") Christian Schultz betreuten Reihe "Satirisches Reisegepäck" des auf alternative Reiseführer spezialisierten Erlanger Michael-Müller-Verlags. In internetgetrieben "Trip Advisory"-Zeiten braucht es als Reiseführer vielleicht höchstens noch einen total einseitigen und ungerechten, aber eben frischen und schreiend komischen Blick auf die Hauptstadt.

Nicht unterschlagen darf man, dass Birr auch ein herausragender Singer/Songwriter im Alltagssatire-Fach ist. Das hat er soeben mit seinem zweiten Musikalbum "Ich hab 'nen LKW für dich geklaut" unter Beweis gestellt, mit großartigen, nicht nur lustigen Songs über "Landprolls" und Kunstlederjackenträger, die Flut der "Elektro-DJs" oder das verpfuschte Leben von Karrieristen. Birrs Talente kriegt man gebündelt immer noch am besten auf der Kabarettbühne mit. Die Themenpalette, die mal literarische, mal rotzige Textarbeit wie die Musikalität bricht sich auch im neuen Programm "Holz und Vorurteil - zwischen Brett und Kopf" Bahn. Damit ist Birr jetzt (und auch im Oktober noch einmal) wieder in der Lach- und Schießgesellschaft zu Gast; wie er ja regelmäßig in der Stadt vorbeischaut, in der der Träger des Deutschen Kleinkunstpreises 2013, fünf Jahre zuvor mit dem Kabarett-Kaktus seinen ersten namhaften Preis gewonnen hat.

Tilman Birr : Holz und Vorurteil, So., 18. Sep., Lach- und Schießgesellschaft, Ursulastr. 9

© SZ vom 17.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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