Kabarett:Spar-Witze

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Umtriebiger Sebastian Schnoy in der Lach- und Schieß

Von Thomas Becker, München

Es geht nicht gut los. Klischee-Alarm vor der Europa-Karte! Ein Hagelschlag von billigen Allgemeinplätzen der abgedroschenen Art. Den größten Lacher in Durchgang eins landet der Künstler mit einem Spruch von Woody Allen. Er selbst bietet dagegen eine erschlagende Phalanx von Spar-Witzen über die üblichen Verdächtigen Oettinger, Trump, Guttenberg, Nordic Walker, Bahn, Elbphilharmonie. Nur eine Frage der Zeit bis zum ersten Jokus über den Berliner Flughafen. Denkste! Nach der Pause kommt ein anderer Sebastian Schnoy aus der Kabine: bissiger, ätzender, überraschender, komischer. Wer auch immer ihm geraten hat, den Matchplan zu ändern: Es ist ihm perfekt gelungen.

Wahrscheinlich hat sich Schnoy selbst umgepolt. Schließlich besitzt der Endvierziger aus Hamburg so viele Bühnen-Identitäten, dass er mehrere Theater bespielen könnte. "Europa. Jetzt erst recht!" spielt er in der Lach- und Schießgesellschaft, ein Plädoyer für die Vereinigten Staaten von Europa. 2016 hatte "Von Krösus lernen, wie man den Goldesel melkt" Premiere, 2017 dann "Luther war ein Blogger", bald geht's weiter mit "Dummikratie - warum Deppen Idioten wählen" - ein Output, für den manche Kollegen zehn Jahre brauchen. Wenn da nicht zuweilen dieses Missverhältnis zwischen Qualität und Quantität wäre. Wer wie Schnoy als eierlegende Wollmilchsau durch die Kleinkunstszene prescht, mit Geschriebenem die Bestellerliste anpeilt, als Keynote-Speaker Unternehmen mit Unterhaltung versorgt ("Hier einfach den Europavortrag als PDF downloaden" heißt es auf seiner Homepage), der kippt seinem Publikum so viel Spaß vor die Füße, bis für jeden etwas dabei ist. Da geht's dann beim Durchdeklinieren der EU bei den Finnen ums Saufen, bei den Franzosen ums Essen und bei den Schweden um Ikea. Da wünscht man ihm einen Regisseur oder Lektor, der das Erwartbare streicht und dafür herrliche Nummern wie das Entstehen der Österreicher hervorhebt. Und wie er selbst fordert: "Nicht so verbissen sein, bitte!"

© SZ vom 04.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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