Junges Theater:Das Ding, das man Liebe nennt

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Verzaubert und liebestoll: Lysander (Philipp Gorissen, l.) und Demetrius (Teodor Pop, r.) zerren an Helena (Marsha Santoso). (Foto: Christian POGO Zach)

Die Gärtnerplatzjugend hat Shakespeares "Sommernachtstraum" in ihre Sprache übersetzt. "It Had To Be You" heißt das Stück über zeitlosen Beziehungswirrwarr, das nun im Theater Leo 17 zu sehen ist

Von Barbara Hordych

Brutal ist Shakespeare auch nach vier Jahrhunderten noch: "Weg mit dir, du Ausgeburt an Hässlichkeit", schleudert Lysander Hermia entgegen. Die blondgelockte Schöne liegt wimmernd am Boden, hat sich an sein Bein geklammert, so dass ihr treuloser Geliebter sie widerwillig hinter sich her schleifen muss. Hermia versteht die Welt nicht mehr: Waren es zuvor noch zwei Liebhaber - Demetrius und Lysander -, die sich um ihre Hand stritten, will auf einmal keiner der beiden mehr etwas von ihr wissen. Stattdessen ist es die ehemals verschmähte Helena, auf die sich das Begehren der beiden wankelmütigen Herren richtet: An ihr zerren sie jetzt herum, während sie Cole Porters "What Is This Thing Called Love" intonieren.

Es ist die Hauptprobe des neuen Projekts der Gärtnerplatzjugend unter dem Titel "It Had To Be You" nach Shakespeares "Sommernachtstraum", die an diesem Wochenende Premiere im Theater Leo 17 hat. Wie im vergangenen Jahr haben die 30 Nachwuchstalente im Alter von 15 bis 21 Jahren in einer Schreibwerkstatt zunächst ihre eigene Stückfassung erstellt. "Sie haben die Schlegel-Übersetzung als Vorlage genommen, mit der Fried-Übersetzung kamen sie gar nicht zurecht", erzählt die Regisseurin Susanne Schemschies. Die Verse übertrugen die Jugendlichen gemäß dem heutigen Sprachgebrauch; mit Ausnahme der Szenen, in denen die Darsteller unmittelbar mit der Zauberblume in Kontakt kommen und in einen anderen Sprachduktus, den des Shakespeare'schen Reims, verfallen. Doch einerlei ob historischer Vers oder zeitgenössische Sprache, die schwerste Aufgabe bestand erst einmal darin, "dass die Spieler wirklich verstehen, was sie sprechen", sagt Schemschies. Deshalb habe sie anfangs ein Diagramm mitgebracht, aus dem hervorging, "wer mit wem warum" interagiere und dabei jeweils im Fokus stehe.

Diese Schwierigkeit ist den Akteuren nach Monaten der Auseinandersetzung mit Shakespeares Sommernachtstraum in keiner Weise mehr anzumerken - flüssig und mit Überzeugungskraft sprechen sie ihren Text - egal ob in "Zauberworten" oder in moderner Sprache. "Demetrius hat den Segen ihres Bruders", versuchen beispielsweise zu Anfang Hermia, ihr Bruder, Demetrius und Lysander die komplizierte Interessenlage vor König Theseus zu klären, die zwischen ihr und den beiden Männern. Denn Hermia liebt zwar Lysander, ist aber von ihrem Bruder dem Demetrius versprochen worden (der zuvor mit Helena verbandelt war, diese aber fallen gelassen hat). "Dann heirate doch ihn", schlägt Lysander seinem Konkurrenten geistesgegenwärtig vor - und hat die Lacher auf seiner Seite. Von etwaigem Staub der Jahrhunderte ist nichts zu spüren. Im Gegenteil, die Jugendlichen tragen ihren Text mit sichtlichem Vergnügen vor. Ebenso wie die Songs aus den Zwanziger- und Dreißigerjahren, die sich revueartig durch das Geschehen ziehen. "Ain't He Sweet/Oh Ain't He Nice", singt beispielsweise Helena, umgedichtet auf ihre weibliche Perspektive, während sie versucht, ihren treulosen Liebhaber Demetrius polypenartig zu umgarnen - auch der Nachwuchs des Hauses steht schließlich in der Tradition des Musiktheaters.

Die Hälfte der 30 Darsteller war schon im vergangenen Jahr dabei, sie wollten weitermachen, auch wenn es viel ist, was Susanne Schemschies und der Choreograf Alan Brooks von ihnen verlangen. Zeit, Disziplin, Konzentration - und immer wieder die Bereitschaft, dieselbe Szene, denselben Song noch einmal zu bringen, und dabei das zu beachten und umzusetzen, was Regisseurin und Choreograf verlangen. So müssen Lysander und Demetrius ein ums andere Mal die widerstrebende Helena in ihre Mitte nehmen, jeder an einer anderen Hand des sich in ihrem Griff windenden Mädchens ziehen. "Wenn der eine ihre Hand fester fasst, muss es auch der andere tun; und wenn du dann noch stärker an ihrem Arm zerrst, bitte auch du!", instruiert Susanne Schemschies die beiden Jungs Teodor Pop (Demetrius) und Philipp Gorissen (Lysander). Denn die haben offensichtlich Probleme damit, ihre Partnerin Marsha Santoso (Helena) so grob anzugehen. "Vergesst nicht, ihr seid verzaubert", beruhigt sie die Regisseurin.

Derweil probt Alan Brooks nebenan eine Gruppenszene mit knapp zwanzig Elfen, die "Mister Sandman, Bring Me A Dream" singen und tanzen. "Ihr seid richtig", ruft Brooks den Tänzern zu, "aber ihr seht nicht so aus, als wenn ihr denkt, dass ihr richtig seid!" Also alles noch einmal auf Anfang. "Choreografisch ist sie ja ein Albtraum, diese Happy-Happy-Musik, deshalb habe ich auch Elemente des Authentic Jazz, vom Straßentanz, eingebaut und Erfahrungen mit Segregation und Rassismus thematisiert", sagt Brooks. Denn Schattenseiten auszuklammern, davon halte er nichts. Nicht von ungefähr unterrichtet Brooks auch im Jugendgefängnis. "Gerade Jungs sollten auch tanzen", sagt er. "Sie haben so viel Energie, die kanalisiert werden muss." Doch zurück zu den jungen Talenten des Gärtnerplatztheaters. Deren Anspruch und Ehrgeiz sei im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, hat Brooks festgestellt. Also habe er sie vor neue Herausforderungen gestellt. Die können schon jetzt, kurz vor der Premiere, als gemeistert gelten.

It Had To Be You , Sa. 2. Juli, 19.30 Uhr und So. 3. Juli, 18 Uhr, Theater Leo 17, Leopoldstr. 17, 38 01 40 32

© SZ vom 01.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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