Johnny Cash: American Recordings:Kein Grab kann ihn halten

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Demut und Größenwahn: Mit seinen letzten Liedern hat Johnny Cash sich auf den Tod vorbereitet. Regisseur Wim Wenders hat sie angehört - ab und zu dachte er, Cash sänge für ihn allein.

Johnny Cashs Karriere war Ende der achtziger Jahren so gut wie beendet. Er hatte genügend Platten gemacht, genügend Songs geschrieben, ein genügend aufregendes (und aufreibendes) Leben gelebt und schien genügend zufrieden, seinen Lebensabend als Legende zu beenden. Oder als "Wanderer", wie er sich selbst beschreibt, in dem gleichnamigen Song, den er 1992 mit U2 für das Album "Zooropa" einspielt. (Der in "In weiter Ferne, so nah!" in der Jukebox läuft, wenn mein guter Cassiel sich zum ersten Mal in seinem kurzen Leben betrinkt.)

Dann bekam Cash im Sommer 1994 einen Anruf von dem Musikproduzenten Rick Rubin. Ob er nicht noch einmal richtig ran wolle? Cash ließ sich auf das Abenteuer ein. (Rubin hatte bis dahin eher Hip Hop produziert als Country Music.) Aus ihrer Zusammenarbeit wurde "American Recordings", und unter diesem Obertitel entstand dann eine Serie von sechs Platten, von der jetzt die letzte (und zweite posthume) erscheint, unter dem Titel "Ain't No Grave".

Hätte Cash in seinem Leben nur diese Aufnahmen mit Rick Rubin gemacht, könnte sein musikalisches Vermächtnis kaum gewichtiger sein. In diesen rund 75 Liedern ist alles drin, was man aus einem ganzen Leben an Erkenntnis, Demut, Größenwahn, Gottvertrauen und Hoffnung als Fazit zusammenfassen kann. Und auch diese (noch nicht?) letzte CD ist großartig und erschließt mit jedem Hören neue Schichten von musikalischer und menschlicher Erfahrung. Die verbergen sich zwar oft hinter einer großen Schlichtheit, aber wenn etwas so gewaltig einfach klingt, kann man sichergehen, dass das nur geschieht, wenn ein großer Reichtum bis auf das Elementarste abgeschliffen worden ist.

Knurrt und brummt und psalmodiert

Cash macht kein Hehl daraus, dass er sich mit diesen letzten Liedern auf seinen Tod vorbereitet. Dass er auf ein Leben nach dem Tod vertraut, davon handelt schon der Titelsong, gleich mit den ersten Worten.

"There ain't no grave Can hold my body down! When I hear the trumpet sound, I'm gonna rise right out of the ground. Ain't no grave Can hold my body down . . ."

Sein Körper mag noch in einem Grab in Nashville stecken, seine Stimme aber ist nicht darin zu halten. Und was für eine Stimme das ist! Im doppelten Sinne des Wortes nämlich, wie sie klingt und wovon sie singt! Dieser Bassbariton knurrt und brummt und psalmodiert und deklariert hier so intim und so inbrünstig, dass man manchmal denken mag, man sei der einzige Zuhörer. Wie in "Where I'm Bound":

"I've been wandering through this land Just doing the best I can Trying to find what I was meant to do And the people that I see Look as worried as can be And it looks like they are wandering, too . . ."

Darf ich auf eine "Sekundärliteratur" zu Johnny Cash hinweisen, nämlich ein wunderschönes Lied von Kelley McRae (auf einer meiner Lieblings-CDs, "Never Be" ) über unseren Mann?

"I hear Johnny Cash died of a broken heart To love like that, the thing just tears you apart. I ain't expectin' too much from this beat-up world, But, oh, to have a love like Johnny Cash had for her . . ."

Kann man von einem Mann etwas Schöneres behaupten, als dass er eine geradezu sprichwörtliche Liebe gelebt hätte? Nichts anderes hört man aus diesen Liedern heraus, die davon in keinem Grab gehalten werden!

© SZ vom 1.3.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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