Jazz:Vom Blatt spielen

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"The Jazz Composers - My Very Sound" - ein neues Musikfestival in Nürnberg begibt sich mit Konzerten und Gesprächen auf die Spur der Komponisten und ihrer Interpreten

Von Oliver Hochkeppel

Zu den Unermüdlichen, ohne die dem deutschen Jazz die Plattformen völlig fehlen würde, gehört der Schwabacher Pianist Peter Fulda. Schon sein Studienweg ist spannend: Nicht nur studierte er von 1988 bis 1992 am Würzburger Konservatorium Jazzpiano bei Chris Beier (der später auch der Lehrer und große Mentor von Michael Wollny war), vier Jahre später schloss er an der Kölner Musikhochschule auch ein Kompositionsstudium an und begann im Jahr 2000 gar nebenbei ein achtjähriges (!) Tabla-Studium bei Sajal Karmakar. Unter den Lehrmeistern, die er sich privat suchte, befinden sich einige der herausragenden Namen unter den Jazz-Komponisten und -Arrangeuren wie Bob Brookmeyer, Maria Schneider oder John Taylor. Zunehmend hat er sich auch mit Neuer Musik und Avantgarde jeder Art befasst. Kein Wunder also, dass Fulda heute selbst zu den begehrtesten deutschen Komponisten und Arrangeuren des Jazz gehört, ein Fach, das er auch seit 15 Jahren an der Musikhochschule Frankfurt unterrichtet.

Jazzposaunist Nils Wogram spielt in Nürnberg. (Foto: Metropolmusik)

Fast noch wichtiger für die Szene ist freilich der Aktivitätsdrang, den er seit ein paar Jahren in seiner Heimatregion Nürnberg entwickelt hat: 2010 gründete Fulda mit einigen anderen Musikern den Verein "Metropolmusik" zur Förderung kreativer Musik jeder Art, ein Jahr darauf sein "Label 11", auf dessen "Edition Metropolmusik" seither 13 Alben vor allem junger Vereinsmitglieder wie Yara Linss, Rebecca Trescher oder Julian Bossert erschienen sind. Darüber hinaus gehen 150 Konzerte und über 500 Kompositionen auf das Konto der von ihm geleiteten Vereinsarbeit. Und jetzt kommt auch noch ein Festival samt Gesprächsreihe dazu.

Trompeter und Eletroniker Udo Moll steht ebenfalls auf der Gästeliste. (Foto: Metropolmusik)

Natürlich sollte sich auch das vom Üblichen abheben: "Ich wollte nicht einfach einige angesagte junge Gruppen einladen, sondern es sollte eine thematische Klammer geben", sagt Fulda. Und weil er seit gut einem Jahr an einem Buch über Komposition arbeitet, verfiel er auf die Idee, das auch zum Thema zu machen: "The Jazz Composers - My Very Sound" heißt das viertägige Projekt vom 7. bis 10 Juni jetzt. Es geht um die verschiedenen Ansätze zeitgenössischer Jazz-Kompositionen, deren Klammer vielleicht noch der gleichrangige Anteil von Komponist und Interpret am Werk ist. Und dafür hat Fulda nun herausragende Vertreter aus ganz verschiedenen Richtungen versammelt, die nach der einleitenden Leistungsschau von Jazzkompositionen von "Metropol"-Musikern, gespielt von einem zehnköpfigen Ensemble, am Dienstag den Stab aufnehmen.

Die Stimmartistin Pegelia Gold trägt zum vielfältigen Programm bei. (Foto: Metropolmusik)

Da ist zunächst der Kölner Trompeter und Elektroniker Udo Moll, ein Manfred-Schoof-Schüler, der gerne in jazzfernen Gefilden wildert (etwa bei Guildo Horn oder Hella von Sinnen, aber auch für Moritz Eggert). Unter dem sprechenden Titel "Easy Listening Avantgarde" wird er am Mittwoch einen Live-Set in eine Remix-Collage transformieren. Auf ihn folgt am Donnerstag Nils Wogram, seit dem Tod von Albert Mangelsdorff sicher Deutschlands profiliertester und mit allen namhaften Preisen dekorierter Jazzposaunist. Wie Fulda ein Workaholic, der als Sideman in diversen Gruppen von Sebastian Gramms Underkarl bis zum Aki-Takase-Quintett spielte und spielt, an der Hochschule Luzern lehrt, aber vor allem mit einer Reihe eigener Bands und Projekten - die bekanntesten sind Root 70 und Nostalgia - unterwegs ist. Wogram präsentiert in der ersten Hälfte des Konzerts sein "Riomar"-Programm, das zu den überzeugendsten Arrangements gehört, die Jazzensemble und Streicher verbinden; danach hebt er als Gastsolist des Peter Fulda Trios ein neues Werk Fuldas aus der Taufe.

Genauso zweigeteilt ist auch der letzte Abend. An dem ist die zwischen Avantgarde-Pop, Jazz und Neuer Musik, zwischen Björk, Mari Boine und Cassandra Wilson angesiedelte Stimmartistin und Chanteuse Pegelia Gold zu Gast ist. Zunächst stellt sie ihr Programm "Experimental Song" vor, ihre zwischen Kunstlied, freier Improvisation und Indie-Pop changierende, höchst individuelle Songsprache von ergreifender, Mystischer Intensität. Danach singt sie Peter Fuldas Songzyklus "I Am With You" - popangelehnte Miniatursinfonien der klassischen Moderne.

Schon vorab wird das Festival mit einem Werkstattgespräch theoretisch unterfüttert, und auch daraus soll eine feste Einrichtung werden: Bei "Metier Metropolmusik" werden drei- bis viermal im Jahr Metropolmusiker zu unterschiedlichsten Fragestellungen ihre ästhetischen Positionen in einer globalisierten Musikwelt reflektieren.

"The Jazz Composers - My Very Sound" , Di., bis Fr., 7. bis 10. Juni, 20 Uhr, Kunstverein Kohlenhof am Germanischen Nationalmuseum und Neues Museum Nürnberg

© SZ vom 07.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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