"Iron Sky" im Kino:Erstschlag mit Götterdämmerung

Lesezeit: 2 min

Eine beschränkte US-Präsidentin dehnt ihren Kampf um die Wiederwahl bis auf den Mond aus und reißt dort eine Nazi-Kolonie aus ihrem Schattendasein: Im finnischen Trash-Spektakel "Iron Sky - Wir kommen in Frieden!" wird der Comeback-Versuch durchgeknallter Weltraumnazis inszeniert - Crowdfunding sei Dank.

Anke Sterneborg

"Heil Kortzfleisch!" Nun ja, es gibt sicher Polit-Grußformeln, die schmissiger sind und erfolgreicher - zwölf Jahre lang wenigstens. Der Mann dieses Namens hat ein gewaltiges Imageproblem, als Führer einer Nazi-Kolonie, die das Ende des Weltkriegs überdauerte und seitdem ein Schattendasein führt - auf der dunklen Seite des Mondes. Udo Kier, der schon häufig - auch für Christoph Schlingensief - beherzt mit Naziklischees gespielt hat, ohne sich um historische und politische Korrektheit zu scheren, spielt Kortzfleisch mit bewährtem Camp-Appeal.

Worauf kein Licht fällt, diese bittere Erkenntnis bleibt auch ihm nicht erspart, das existiert auch nicht. Ohne Anfeindungen von außen, ohne Selbstdarstellungsdruck und Weltmachtanspruch sind auch die Mond-Nazis nur ein harmloser Haufen durchgeknallter Spinner, der im Weltraumvakuum mit der eigenen Ikonografie experimentiert, während ein mad scientist im Metropolis-Look an einer Megawaffe namens Götterdämmerung bastelt.

Das ändert sich schlagartig, als eine einfältige amerikanische Präsidentin - mit Sarah-Palin-Anmutung - ihren Wiederwahlkampf auf den Mond ausdehnt, und damit Nazis aus ihrem Dornröschenschlaf reißt. Nun aktivieren sie ihr militärisches Potential und treten zur Eroberung der Erde an. Man schreibt das Jahr 2018.

Nachdem der finnische Regisseur Timo Vuorensola in seinem Debüt "Star Wreck - In the Pirkinning" die fiktiven Star-Trek-Mythen satirisch durchknetete, geht er jetzt das Genre der Naziverschwörungstheorien an. Sein "Iron Sky" ist von Anfang an als Kultfilm konzipiert, was das Thema und die Aufmachung angeht - und die Herstellung. Vuorensola gehört zu den findigen Jungregisseuren, die das Marketing- und Crowdfunding-Potential des Internets zu nutzen wissen. Nachdem schon sein Debüt unter starker Anteilnahme der Netzgemeinde entstand und verbreitet wurde, begann er bei "Iron Sky" schon früh damit, eine Fanhorde aufzubauen.

Mit trashigen Teasern und Trailern schürte er das Interesse, und konnte schließlich fast eine der insgesamt siebeneinhalb Millionen Euro Produktionskosten durch Crowdfunding sichern. Mit dem Kauf von Merchandising-Produkten und Investitionen von 1000 Euro aufwärts sichern sich die Käufer intime Einblicke in die Entstehung, Mitspracherechte und Gewinnbeteiligungen im Erfolgsfall.

Naive Chaoten, dem strammen Nazi-Charme nicht gewachsen

Der Hype kulminierte dann auf der Berlinale, wo "Iron Sky - Wir kommen in Frieden!" in der Panorama-Sektion lief und für zackige Abwechslung im Festival-Alltag sorgte. Der überdrehte Nazi-Chargen-Pop steht in grellem Kontrast zu den schäbigen Untergrundaktionen der Neonazis heute. Timo Vuorensola und sein Team haben den Trash auf hohes technisches Niveau gebracht, ihre Invasion der Erde kann es, was Spezialeffekte und Ausstattung angeht, verblüffend locker mit Hollywoodblockbustern wie "Battleship" aufnehmen.

Aus dem Tritt gerät der Film jedoch beim Spagat zwischen respektloser Kinofiktion und schaler Realsatire - die Bilder aus unserer modernen Gesellschaft sind erschreckend banal, ihre Figuren naive Chaoten, die dem strammen Nazi-Charme von Götz Otto und Julia Dietze nicht gewachsen sind. Dietze ist auch der geniale Erkenntnismoment des Films zugedacht - sie erlebt, dass der "Große Diktator", Chaplins vehementes Anti-Hitler-Stück, nicht nur zehn Minuten dauert, wie im Schulunterricht auf dem Mond, sondern zwei Stunden. Dort haben die Nazis nur die berühmte Szene, in der der Diktator mit dem Weltkugel-Ballon spielt, abgesondert zur Friedens-Propaganda. Das rührt wahrlich ans Geheimnis des Kinos.

IRON SKY, Finnland/D/Aust 2012 - Regie: Timo Vuorensola. Buch: Johanna Sinisalo, Jarmo Puskala, Michael Kalesniko. Kamera: Mika Orasmaa. Musik: Laibach. Mit: Udo Kier, Götz Otto, Julia Dietze . Polyband, 97 Minuten.

© SZ vom 10.04.2012/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: