Interview:Stimmen, die stimmen sollen

Lesezeit: 4 min

"Ich habe das immer mit Freude geguckt, diesen Germanisten-Porno", sagt Nora Gomringer lachend - diesmal ist sie selbst in Klagenfurt dabei. (Foto: Anny Maurer)

Die Bamberger Schriftstellerin Nora Gomringer tritt in dieser Woche beim Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb an, der wie immer für Gesprächsstoff in der Branche sorgt

Interview von Antje Weber

Wird Nora Gomringer im letzten Moment wegen Windpocken absagen müssen wie im vergangenen Jahr Karen Köhler? Oder noch schnell im Vorfeld einen Shitstorm auslösen wie die Autoren-Kollegin Ronja von Rönne, die mit ein paar abfälligen Äußerungen zum Feminismus auf sich aufmerksam gemacht hat? Der Bachmann-Preis in Klagenfurt ist immer für Gesprächsstoff gut. Nora Gomringer jedenfalls, die diesmal teilnimmt, scheint nicht auf Krawall gebürstet zu sein. Die 1980 geborene Autorin ist als Lyrikerin und Poetry Slammerin bekannt; sie lebt in Bamberg, wo sie das Künstlerhaus Villa Concordia leitet. In Klagenfurt wird an diesem Mittwoch die Reihenfolge der Autoren ausgelost; von Donnerstag bis Sonntag wird gelesen, diskutiert und preisgekrönt. 3sat überträgt live.

SZ: Haben Sie sich schon eine subversive Aktion für Klagenfurt überlegt?

Nora Gomringer: Ich habe den Text in einer Art geschrieben, die mir bis dato nicht ganz gängig für den Bachmann-Wettbewerb scheint. Ich bin ja dazu gekommen wie die Jungfrau zum Kinde, sehr ungeplant. Die Jurorin Sandra Kegel, deren Pferdchen ich bin, hat mich angerufen. Sie hat sich gewünscht, mit mir dort zu erscheinen und mich gefragt, ob ich was in der Schublade hätte. Das fand sie dann aber nicht so gut. Da habe ich schon gesagt: Ach, lassen wir das einfach, den Stress brauche ich jetzt nicht. Da sagte sie: Nein, ich glaube an Sie, bitte schicken Sie mir noch etwas. Und dann habe einen Text extra dafür geschrieben.

Wie muss man sich das Ergebnis ungefähr vorstellen?

Es wurde von mir verlangt, einen Text von 25 Minuten Leselänge zu schreiben, der einen Anfang, eine Mitte und ein Ende aufweist. Das war die Kritik am ersten Textstück gewesen: Der entwickelte sich für Frau Kegel zu langsam, es war aber ja auch ein Teil eines Romans. Jetzt habe ich einen Text geschrieben, der viele Stimmen aufweist, weil mir das liegt.

Sie kommen ja auch passenderweise von der Performance her.

Ja, wobei ich nicht hoffe, dass das dann so als Hörstück abgetan wird. Ich will der Prosa auch gerecht werden.

Haben Sie den Wettbewerb denn schon oft verfolgt?

Ich habe das immer mit Freude geguckt, diesen Germanisten-Porno (lacht). Das gucken ja echt alle. Das letzte Mal habe ich so richtig ausgiebig 2006 geschaut - damals hat Tilman Rammstedt gewonnen, genau. Ich bin übrigens total gesegnet und auch bestürzt, dass ich dieses Jahr so viele geschätzte Kollegen dort treffen werde, die ich im Leben nicht in einer Art Wettbewerbssituation erleben wollte. Wie zum Beispiel Jürg Halter, dem ich schon Gedichte gewidmet habe. Die große Teresa Präauer, die meiner Meinung nach eine Ideal-Nachfolge im Sinne Bachmanns ist. Monique Schwitter, deren Gast ich selbst schon sein durfte, als sie in Hamburg einen Poesiesalon gemacht hat - und so weiter. Insofern hoffe ich, dass es angenehm wird. Es könnte aber auch entzweiend sein, das wäre sehr schade. Ich gehe auch nicht mit scharrenden Hufen und so ganz aggressiv da hin. In meinem harmlosen Schriftsteller-Gehirn dachte ich ja bisher sowieso, das wäre ein Preis und eine Teilnahme, die mir verwehrt wären, weil: Eigentlich biste nicht Prosa.

Sie sind vor allem als Lyrikerin bekannt.

Ich habe sehr viel Prosa veröffentlicht, aber das ist Stück-Arbeit, kein Langtext. Mir ist schon aufgrund meines Arbeitspensums nicht möglich, mich ganz in die Prosa reinzuwerfen. Aber der hervorragende Gunther Geltinger, der derzeit Stipendiat bei uns in der Villa Concordia ist, kam schon zu mir und hat mir etwas sehr Kluges gesagt: A) Such Dir jemanden in der ersten Reihe, der dich anlächelt, wenn sie sich über deinen Text hermachen. Und B) Du bringst ja keinen Text dorthin, der über Jahre in dir angewachsen ist und den du wie das Baby zur Opferung auf ein satanistisches Podest legst. Sondern du bringst einen Text, den du für diese Situation gekocht hast. Er ist dir etwas wert, aber wenn er nicht gefällt, kannst du beruhigt sagen: Na gut, mein Weg ist Anderes.

Ein bisschen Angst vor den Kritikern hört man da aber schon heraus?

Man hat sehr viel Respekt vor der Situation. Das ist schon unangenehm. Ich bin es ja gewöhnt, vor sehr viel Publikum aufzutreten, ich darf mich nicht beschweren. Aber diese Situation ist so kabinettig. Außerdem wird sehr viel hingeredet an einen. Daran merke ich: Der Wettbewerb hat schon vor vielen Jahren seine Unschuld verloren. Diese Art des Verschiebens, welcher Juror sich um welchen Autor kümmert, und dann gibt es eine Nummer eins und eine Nummer zwei bei den Juroren. . . Und dann hört man: Der hat mich fallen lassen in der Diskussion. . . Ich würde mir erhoffen, dass es einfach nur ein Gipfeltreffen von Texten wäre. Und es ist ja klar, dass im deutschen Sprachraum derzeit so viele Texte umherwandern, die vielleicht viel mehr Kraft haben. Es ist eine punktuelle Auswahl, und die trifft jetzt eben ein paar, die sowieso schon Namen sind im Geschäft. Es gab ja mal eine Zeit, wo es reine Anfänger waren - was ja auch total gut war. Denn damit konnte man bei Bachmann ja einen Namen etablieren.

Jetzt kann man ihn sich auch kaputtmachen.

Ganz sicher. Davor habe ich auch Angst. Dass dann so was kommt wie: naja, Trockenübung hier.

In Ihrem neuen Gedichtband "Morbus" heißt es wie als Vorbereitung: "Und immer ist es auch Sprache, die wir brauchen, um einander Drastisches zu senden."

Das ist ja sehr wahr. Für jeden Autor, aber auch für jeden Komponisten: die Sprache als Anzünder.

Wie stehen Sie eigentlich zu Ingeborg Bachmann?

In tiefer Rührung und Anteilnahme. Ihr Brief-Austausch mit Celan ist für mich sehr wichtig, "Malina" ist ein Jahrhunderte überspannender Band. Bachmann ist für mich auch eine Art deutschsprachige Sylvia Plath. Auf meinem Hausaltar stehen Anne Sexton, Sylvia Plath und Bachmann. Die Würde und die Bürde sind groß.

© SZ vom 01.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: