Internetvideo der Woche:Hier spricht die Pozilei

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Wenn dem Polizisten die Pistole aus dem Halfter hüpft, sieht man, dass auch die schnittigste Uniform nicht vor Fehlbarkeit schützt. Polizeipannen in der Clip-Kritik.

Christian Kortmann

Ein Nachteil des Zivilistendaseins besteht darin, dass man keine Uniform besitzt. Dabei wäre eine Kollektion von Phantasieuniformen im Kleiderschrank - passend zu jedem Anlass, ähnlich wie bei Michael Jackson - eine echte Unterstützung. Denn zum einen verleihen Uniformen eine Aura von Perfektion, zum anderen deuten sie das eigene seltsame oder fehlerhafte Verhalten zum zur Uniform gehörigen Benimmkodex um. Für Außenstehende hat jede Kapriole des Uniformträgers einen Sinn, mögen derjenige, der sie angeordnet hat, und der Rest des Regiments gerade auch außer Sichtweite sein.

Möchte man also partout seinen Hummer an der Leine in die Stadt ausführen, stört sich garantiert niemand daran, wenn man nur die Hummer-Uniform (die mit den rosafarbenen Scheren auf den Schulterklappen) anzieht. Die Wachen vor dem Buckingham Palace in London würden ja auch als verhaltensauffällige Störenfriede in Gewahrsam genommen, wenn sie zu ihren bizarren Manövern nicht die überheizenden XXL-Pelzmützen tragen würden, die jeden silly walk in ein Ritual verwandeln.

Beliebige Hampeleien sind trotzdem verboten, in seiner Rolle muss der Uniformträger formvollendet sein. Von einem Polizisten in Uniform erwartet man etwa, dass ein Teil seiner Person so objektiv-übermenschlich ist wie der Apparat, den er verkörpert. Doch natürlich ist auch er kein Robo-Cop, sondern kann sich in jedem Moment genauso trottelig anstellen wie jeder andere auch.

Nur fällt es bei einem Polizisten stärker auf, weil die Öffentlichkeit auf diese schwachen Momente lauert. Ein Jogger, dem das Trinkfläschchen aus dem Gürtel rutscht, wäre kein Netzvideo wert, wohl aber ein Polizist, dem die Pistole aus dem Halfter fällt.

Das Video "Police in action - asediu in Timisoara" wurde bei einem ernsten Ereignis aufgenommen: Vor dem Spiel der Fußball Europa-League FC Timisoara gegen Dinamo Zagreb kam es Anfang Oktober dieses Jahres im westrumänischen Timisoara zu einer Straßenschlacht zwischen kroatischen und rumänischen Fans. Laut Agenturberichten sollen die Schlägereien auch dank der massiven Polizeipräsenz schnell beendet worden sein. Der Clip zeigt, dass die Eingreiftruppe in nicht unerheblichem Maß auch mit sich selbst zu kämpfen hatte.

Die schwarz vermummten Polizisten laufen über einen Platz in der Stadt. In der ersten Reihe gerät ein Polizist ins Straucheln und schlägt bäuchlings aufs Pflaster. Er rappelt sich schnell wieder auf - und weiter geht's. Doch als verbreite sich die Pannenanfälligkeit wie ein Virus, erwischt es wenige Momente später einen Kollegen von der Schäferhundestaffel. Dieser hat wohl sein Halfter nicht richtig zugeknöpft, und als er über ein Holzgerüst springt, hüpft die Pistole aus ihrem Fach und fällt zu Boden. Hilfsbereit geht ihm ein Kameramann zur Hand, hebt die Pistole auf und gibt sie dem Polizisten zurück, mit dem Gestus: "Mein Herr, Sie haben Ihre Waffe verloren. Und Sie können damit doch viel besser umgehen als ich."

In Zeitlupe und mit festlicher Musik unterlegt, liefert diese Szene das harmonische Bild einer Zivilgesellschaft, die das staatliche Gewaltmonopol unterstützt. Anders als Videos, die polizeiliches Fehlverhalten dokumentieren, wie im Fall Rodney King, klagen die Polizeipannen-Clips nicht an. Sie geißeln nicht das Verplempern von Steuergeldern, sondern rückvermenschlichen die Uniformträger. Ob nun ein Polizist bei der Leibesvisitation etwas zu intim und eine Polizistin etwas lauter wird oder die Beamten die Bankräuber knapp verpassen, stets wird deutlich, dass es auch Polizisten nicht leicht fällt, in jeder Situation ihre Rolle aufrechtzuerhalten. Dass manche dieser Clips gestellt sind, mindert die Freude der User nicht. Schließlich geht es darum, alle polizeilichen Machtsymbole in Internetvideos humoristisch zu schleifen.

Neben der Uniform und der Waffe gehört das Polizeiauto zu diesen Insignien des Ordnungshüters. Im Clip "Police OOPS!!!" will ein Polizist einen Verkehrssünder, den er verfolgt hat, zur Rede stellen. Mit gewohnter Autorität baut er sich mit seinem Klemmbrett vor dem Fenster des Fahrers auf, als sich plötzlich sein Auto, dessen Kamera die Szene filmt, rückwärts in Bewegung setzt.

Kurz noch eine von munterem Fluchen begleitete Verfolgungsjagd eingeschoben, diesmal zu Fuß, dann ist der Wagen gestellt. Erst als er sein Auto wieder unter Kontrolle gebracht hat, die komplette Polizeiuniform also wieder tadellos sitzt, kann er das Verhör fortsetzen. Elegant überspielt er den kleinen Zwischenfall. Schon klar, die Gangschaltung war schuld ... Der Polizist weiß: Wer einen Hummer an der Leine führt, tut am besten so, als sei jedes Stolpern Teil des Programms.

Die Kolumne "Das Leben der Anderen" erscheint jeden Donnerstag auf sueddeutsche.de. Bookmark: www.sueddeutsche.de/lebenderanderen

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