Im Kino: Im Schatten:Die Zeit drängt

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Das Individuum und seine Welt: Thomas Arslan hat mit "Im Schatten" einen fasziniereden kleinen Film in der klassischen Krimitradition gedreht.

Fritz Göttler

Den Planer nennen sie den Mann, der im Mittelpunkt des Geschehens in diesem Film steht. Kein Bandenchef, kein kriminelles Superhirn. Nur einer, der vermittelt, über ihn werden Informationen getauscht und Waffen, und auch Leute hat er immer zur Hand, wenn man einen Job nicht allein durchziehen kann.

Misel Maticevic spielt den frisch aus dem Gefängnis entlassenen Trojan, der zuverlässige Gangster für seinen nächsten Coup braucht. (Foto: N/A)

Zum Planer in sein Hinterzimmer kommt, gleich als er wieder aus dem Knast heraus ist, auch Trojan (Misel Maticevic), "Wie laufen die Geschäfte?", fragt er. "Könnte besser gehen ..." "Hast du was Brauchbares?" Der Planer schwenkt leicht den Kopf zur Seite, als wolle er abwinken, aber dann: "Ein Juwelier. Macht demnächst eine Ausstellung mit Luxusuhren. Es geht nur um die Uhren. Hochwertige Ware. Ich kenn den Elektriker, der die Sicherheitsanlage installiert hat. Das Ding müsste man allerdings zu dritt durchziehen." Den Planer verkörpert Hanns Zischler, im einfachen Sommerhemd, und merkwürdigerweise vermittelt seine schnörkellose Präzision am Ende doch etwas wie Herzlichkeit. An der Wand hinter ihm hängt neben dem Kalender die Reproduktion eines 100-Mark-Scheins.

Thomas Arslan hatte Lust, einen Kriminalfilm zu drehen in der Tradition der Selbstverständlichkeit, wie man sie kennt aus dem amerikanischen und französischen Kino. So gibt es Bewegungen und Sätze in seinem Film von unglaublicher Genauigkeit. Die Waffen werden meistens hinten in den Hosenbund gesteckt, unter die Lederjacke oder das Jackett. Ein Mann geht über eine Straße und dann in die Einfahrt zu einem Parkhaus, so gut abgezirkelt, dass er ohne den Kopf zu stark zur Seite legen zu müssen, noch unter dem sich senkenden Tor durchkommt.

Konzentration auf den einzelnen Menschen

Es wird dann doch nichts mit dem Ding bei dem Juwelier, die beiden vorgesehenen Kumpel sind Trojan nicht zuverlässig genug, ein Alkoholiker und ein Junkie. Aber da ist noch Dora, eine jungen Anwältin (Karoline Eichhorn), die einen Kontakt herstellt zum Wachmann einer Sicherheitsfirma. Die Beziehung von Trojan und ihr ist gleichzeitig professionell und persönlich, von keinem zu viel, eine Dosierung, die so perfekt sonst nur Melville oder Richard Stark hinkriegen.

Thomas Arslan liebt das phänomenologische Kino. Er macht Filme, die sich auf einzelne Menschen konzentrieren, wie sie sich in der Welt bewegen und sie damit zu ihrer machen. In seinem Text über den Erzähler zitiert Walter Benjamin Valéry, der das Verschwinden jener konzentrierten Arbeiten beklagt, die er "Hervorbringungen ausdauernder, entsagungsvoller Bemühungen" nennt: "Die Zeit ist vorbei, in der es auf Zeit nicht ankam.

Der heutige Mensch arbeitet nicht mehr an dem, was sich nicht abkürzen lässt." In der Tat, kommentiert Benjamin, ist ihm geglückt, selbst die Erzählung abzukürzen. Arslans Kino ist ein Versuch, dies rückgängig zu machen. Beim zweiten Besuch verkauft der Planer Trojan Waffen. "Eine Beretta 92. Hat 'nen leichten Rechtsdrall. Mit der kannst du nichts falsch machen."

IM SCHATTEN, D 2010 - Regie, Buch: Thomas Arslan. Kamera: Reinhold Vorschneider. Schnitt: Bettina Blickwede. Mit: Mišel Maticevic, Karoline Eichhorn, Uwe Bohm, Hanns Zischler, André Szymanski. Peripher, 85 Minuten.

© SZ vom 08.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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