Im Kino: Eine Familie:Hartes Brot

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Das Leben ist wie ein guter Teig: süß und sauer zugleich. Die dänische Regisseurin Pernille Fischer Christensen erzählt in "Eine Familie" von den Chancen des Lebens - und vom stillen Tod.

Jan Füchtjohann

Er entfaltet sich schnell, der diskrete Charme dieser Bio-Bourgeoisie. "Eine Familie", der neue Film der dänischen Regisseurin Pernille Fischer Christensen, beginnt mit einem Fotoalbum: geschmackvolle Bilder und Texte erzählen eine Familiengeschichte, wie sie perfekter nicht sein könnte. Wie aus dem Bilderbuch oder besser: dem Manufactum-Katalog.

Kinostarts - 'Eine Familie' Sanne (Anne Louise Hassing) und Rikard (Jesper Christensen)in einer Szene des Films 'Eine Familie'. Der emotionale Streifen wurde bei den Internationalen Filmfestspielen in Berlin mit dem FIPRESCI-Presi ausgezeichnet. Der dänische Film handelt von der Familie Rheinwald, die eigentlich mit ihrem Leben ziemlich im Einklang steht. Kinostart: 3. März 2011. Foto: Tobis Filmverleih ACHTUNG: Frei nur für den Bildfunk!) +++(c) dpa - Bildfunk+++ (Foto: dpa)

Denn Urgroßvater Rheinwald war zu Fuß aus Deutschland nach Kopenhagen gelaufen, mit nichts als einem Sack Getreide unter dem Arm. Bis heute kennt auch der Vater Rikard Rheinwald (Jesper Christensen) die alten Weizensorten beim Namen, heizt den Ofen in der Bäckerei mit knorrigem Holz und backt Brote nicht aus einem, sondern achtzehn verschiedenen Sauerteigen. Als er krank wird, wünscht ihm sogar die Königin gute Besserung - die Rheinwalds sind Hoflieferanten.

Das Leben, das wird später in einer Rede erklärt, ist - na klar - wie ein guter Brotteig: süß und sauer zugleich. Rikards Tochter Ditte (Lene Maria Christensen) besitzt ihre eigene Galerie, hat einen Künstler als Freund und bekommt dann auch noch einen Anruf der Assistentin von Larry Gargosian: Ob sie im Auftrag des berühmtesten Galeristen der Welt nicht gerne für Europa zuständig wäre? Ob sie in New York leben und viel herumreisen möchte? Ein bisschen in den Künstlerateliers abhängen?

Na klar. Aber dann gibt's das Saure. Denn plötzlich brechen in diesem Lebensstil aus gutem Essen, nachgedunkelten Holztischen und dänischen Designerlampen die beiden Elemente auseinander: das Leben und der Stil. Tochter Ditte ist schwanger und muss sich plötzlich zwischen Kind und New York entscheiden. Und Vater Rikard hat Krebs, am Ende doch unheilbar.

Es ist, als würde sich das Leben gegen seine Vereinnahmung durch die Bio-Bourgeoisie wehren, als wollte es noch einmal erklären, dass es nicht so einfach ist, mit dieser immer wieder so gern verkitschten Ursprünglichkeit aus Familie, Tradition und alten Getreidesorten. Denn das Leben hat neben Erdbeeren und Bio-Brot auch eine andere Seite: den Tod. Das Kind wird abgetrieben, der Vater siecht dahin. Und auch das von den Eltern vererbte Handwerk zeigt seine dunkle Seite: Die Tochter will nicht Bäcker werden, was ihr der Vater (und vermutlich auch die toten Ahnen) nicht verzeihen können.

Dann wird der Neo-Traditionalismus endgültig auf die Spitze getrieben. Heutzutage werde "fabrikmäßig" gestorben, hatte Rainer Maria Rilke seinem dänischen Helden Malte Laurids Brigge einmal in den Mund: Der einzelne Tod sei nicht mehr so gut ausgeführt wie früher, als alte Kammerherren noch fürstlich starben und dabei das ganze Herrenhaus zusammenschrien. Mit genau so einem Tod endet "Eine Familie": Der altmodische Patriarch will nicht ins Krankenhaus, sondern zu Hause in der Familie bleiben, der Film folgt ihm bis ganz zuletzt. Selten wurde der Satz "Es gibt sie noch, die guten Dinge" eindrucksvoller widerlegt.

EN FAMILIE, DK 2010 - Regie: Pernille Fischer Christensen. Buch: Christensen, Kim Fupz Aakeson. Kamera: Jakob Ihre. Musik: Sebastian Oberg. Mit Jesper Christensen, Lene Maria Christensen, Piolu Asbaek, Anne Louise Hassing. Verleih: Tobias, 103 Minuten.

© SZ vom 07.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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