Hotel:Ausblick mit Zimmer

Lesezeit: 3 min

The Westin Hamburg soll weltläufig, aber nicht zu luxuriös wirken. Teils mutet es auch etwas blass minimalistisch an. Jedenfalls erhofft man sich, dass das neue Haus mehr internationale Gäste in die Stadt Hamburg locken wird.

Von Jochen Temsch

Hoteliers sind nicht gerade für falsche Bescheidenheit berühmt. Aber was Dagmar Zechmann, General Manager des Westin Hamburg in der Elbphilharmonie, sagt, ist durchaus zutreffend: "Wir haben keine Zimmer mit Ausblick, sondern einen Ausblick mit Zimmern." Das Panorama reicht je nach Lage und Zuschnitt der Räume vom Stadtzentrum über die Hafencity, die Elbe und den Industriehafen bis zu den Docks - Hamburg aus der Hubschrauberperspektive, wie man es bislang von Süden aus nicht sehen konnte. Bodentiefe Fenster garantieren diesen Ausblick. Verspiegelte Holme vervielfältigen ihn. Dazu kann man kleine Luken öffnen, die Frischluft, Dieseltuckern und Möwengekreisch einlassen. So kommt zur überragenden Optik noch ein stimmungsvoller akustischer Eindruck des maritimen Standorts hinzu.

Hamburg mangelt es an internationalen Gästen. Die könnten jetzt kommen

Der Ausblick bestimmt den Preis der 205 Zimmer und 39 Suiten, die in Höhen zwischen rund 40 bis 90 Metern im östlichen Teil des Glasbaus verteilt sind. Die luxuriöseste Übernachtungsmöglichkeit ist ein 160 Quadratmeter großes Apartment, das ganz oben im Gebäude thront, mit Privatbalkon und 270-Grad-Panorama. In anderen Hotels würde es Präsidentensuite genannt werden, im Westin spricht man im Kreuzfahrtjargon von Eigner-Suite. Der Gast schaut vom Bett aus durch bugartig spitz zulaufendes Glas auf Stadt und Hafen - ab 3300 Euro pro Nacht. Am anderen Ende der Preisskala steht das Classic-Elbphilharmonie-Zimmer ab 220 Euro, dessen Fenster allerdings zum Lichthof Richtung Paillettendach zeigen und das so, um in der Nautik zu bleiben, einer Innenkabine entspricht.

Im internationalen Vergleich sind die Preise eher günstig für ein solches Hotel in solch einem neuen Wahrzeichen. Der Hamburger Markt gibt keine höheren Raten her, deshalb handelt es sich auch um längerfristige Kalkulationen, keine Eröffnungsangebote. Grund hierfür ist die Gästestruktur der Hansestadt. Hamburg wird zwar gerne als "Tor zur Welt" bezeichnet, das heißt jedoch nicht, dass alle Welt nach Hamburg käme. Laut Hamburg Tourismus stammen 76 Prozent aller Gäste aus Deutschland. Nach München reisen doppelt so viele internationale Besucher. Hamburg, Musical-Stadt Nummer drei nach New York und London, punktet mit deutschsprachigen Singspielen, aber es fehlt an Messen und saisonalen Veranstaltungen wie etwa dem Oktoberfest. Von der Elbphilharmonie erwartet sich die Tourismusbranche nun weltweite Strahlkraft.

Auch das Westin wirbt um Überseepublikum. Die Marke gehört zum weltgrößten Hotelkonzern, Marriott International mit Sitz in den USA, der das Haus für das Schörghuber-Unternehmen Arabella Hospitality managt, das es wiederum von der Eigentümerin, der Stadt Hamburg gepachtet hat. Doch bei allen hochfliegenden Plänen bemühen sich Manager und Politiker gleichermaßen, das Hotel als Haus für alle Hamburger darzustellen, so auch der Erste Bürgermeister Olaf Scholz in seiner Ansprache auf der Eröffnungsfeier - die Bürger haben es schließlich auch bezahlt. Die genauen Kosten sind unklar, Kritiker sprechen von bis zu 200 Millionen Euro Steuergeld. Daraus resultierende Ambivalenzen zwischen Weltläufigkeit und Lokalkolorit zeigen sich auch bei einem Aufenthalt.

Der Innengestalter Tassilo Bost arbeitete durchweg mit gedeckten Farbtönen, Weiß- und Sandnuancen vor allem und leicht verwittertem Eichenholz. Alles ist von zurückhaltender Eleganz, nichts lenkt vom Ausblick ab - aber außer dem Ausblick ist auch nichts wirklich aufregend. Das Westin wirkt wie ein edles Business-Hotel, das auch Freizeitpublikum anziehen will. Gerade in den jedermann zugänglichen Bereichen, in Bar und Restaurant, hat man vor lauter blassem Minimalismus die Chance vertan, markante urbane Treffs zu schaffen, die dem spektakulären Gebäude angemessen gewesen wären.

In der Bar The Bridge auf Ebene der Rezeption in 37 Metern Höhe teilt man sich die grandiose Aussicht auf den Industriehafen mit den bis zu 14 000 Menschen, die derzeit täglich die Plaza besuchen und an der Glasfront der Bar entlanggehen. Das Angebot an Spirituosen und darauf abgestimmten Häppchen entspricht aktuellen Crafting-Moden. Hochprozentiges wird durch die Lagerung in kleinen Eichenfässern und mit Gewürzen modifiziert. Der Gin kommt mit Granatapfel, der Wodka mit Auster. Es gibt geschmacklich durchaus etwas zu entdecken. Aber der Raum selbst ist geschmacksneutral.

Das Restaurant The Saffron ist im Kaispeicher untergebracht. Ausblick bietet nur der Balkon, eine einstige Ladeluke. Manche Gäste sitzen mit Blick auf die Fahrstühle, deren Türen sich hin und wieder öffnen und im schlimmsten Fall die nackten Beine derjenigen präsentieren, die im Bademantel dem Spa-Bereich entschweben. Ein romantisches Essen sieht anders aus. Zumal der Service teils noch rumpelt. Ein Kellner drückt einem Gast einen 40-Euro-Hauptgang-Teller in die Hand und sagt: "Anders komme ich leider nicht hin." Auch beim Frühstück, ebenfalls im Restaurant, kommt nicht unbedingt eine Bedienung. So lässt man sich den Kaffee eben selbst aus einem Automaten - für stolze 30 Euro, die der Buffetbesuch kostet.

Das Westin Hamburg hat noch keine Sterne-Klassifizierung. Eine solche bietet auch nicht unbedingt nur Vorteile. Viele Firmen verbieten ihren Geschäftsreisenden, fünf Sterne zu buchen. Den politisch verpönten Luxus würde es auch eher noch unterstreichen. Und erarbeiten muss man die Sterne erst einmal. Allein für den Ausblick hätte sie das Hotel auf jeden Fall verdient, aber der zählt nicht zu den erforderlichen Kriterien.

© SZ vom 08.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: