Großformat:Schmiere der Erde

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Von nichts sind die Menschen so abhängig wie vom Öl. Was hat es mit ihnen gemacht? Die Forscher von Beauty of Oil arbeiten an einer Kulturgeschichte dieses magischen Stoffes.

Von Jörg Häntzschel

Noch nie wurde so viel Öl verbraucht und produziert wie heute, dennoch erscheint uns unsere Öl-Sucht mit jedem Tag unzeitgemäßer. Wenn wir am Auto lehnend wieder die 60, 70 Liter in den Tank rauschen lassen,fühlen wir uns immer öfter wie die Comicfiguren, die über die Klippe hinausgerannt sind und realisieren, dass sie keinen Boden mehr unter den Füßen haben.

Dieses Bewusstsein vom Irrsinn und nahen Ende des Öl-Zeitalters stand am Anfang der Arbeit von "Beauty of Oil", wie die Kulturwissenschaftler Benjamin Steininger und Alexander Klose und der Designer Bernd Hopfengärtner ihr Forschungsprojekt nennen. Wenn wir wirklich wegkommen wollen vom Öl, so finden sie, müssen wir die politischen, ökonomischen, ästhetischen und philosophischen Dimensionen der "Petromoderne" verstehen. Uns also klar darüber werden, wie grundlegend das Öl unsere Epoche geprägt hat. Öl steht für einen bis heute existierenden Kolonialismus, für die utopische Qualität des Kunststoffs, für sprudelnden Reichtum und für die Kriege, die mit und um Öl geführt wurden, um nur ein paar Aspekte zu nennen.

Steininger kam im Texas Österreichs zum Öl, dem Weinviertel. Das Ölmuseum, an dem er dort arbeitete, wurde nie realisiert, doch er verfolgte das Thema weiter. Von den Ingenieuren und Geologen, die er kennengelernt hatte, stammen auch die meisten der 20 000 Fotos, Dokumente und Artefakte in seiner Sammlung. 2019 wollen die drei damit eine Ausstellung im Kunstmuseum Wolfsburg bestücken.

Öl ist keine Idee, sondern ein Material. Deshalb denken auch die Forscher von Beauty of Oil in Dingen, Stoffen und Bildern, die sie sammeln, arrangieren und interpretieren, wie sie es mit den Bildern und Texten auf dieser Seite getan haben. Nicht abgebildet ist Steiningers Lieblingsstück, ein Bohrkern aus 7000 Metern Tiefe, groß wie eine Flasche. 100 Millionen Euro hat die Bohrung im österreichischen Zistersdorf gekostet, es war die tiefste in Europa. Gefunden wurde nichts, das Geld war verloren.

© SZ vom 13.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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