Germanical:Ring-Gerangel

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Der neue "Siegfried" im Lustspielhaus

Von Barbara Hordych, München

Die wichtigsten Ingredienzien der Nibelungensage wurden bereits in der mittelhochdeutschen Dichtung festgeklopft: Da gibt es den (fast) unverwundbaren blonden Helden Siegfried nebst Lindwurm, Schatz und Tarnkappe; den guten, wenn auch minder starken Burgunderkönig Gunter und gleich zwei holde Hilden, die einander misstrauisch beäugen. Und den grimmigen Recken Hagen, der zum Spielball ihrer eifersüchtigen Ränke wird. Dieses Personal inspirierte schon Richard Wagner zu seinem vierteiligen, kurz "der Ring" genannten Opernzyklus und Fritz Lang zu seinem Stummfilm-Epos "Die Nibelungen". Es stellt aber auch die Kerntruppe des Germanicals "Siegfried", das die Regisseurin Gabi Rothmüller, der österreichische Satiriker Manfred O. Tauchen und der Münchner Kabarettist Alexander Liegl 2003 für das Lustspielhaus kreierten, wo es nach dreijähriger Spielzeit Kultstatus erlangte. Dass weder menschliche Gier, noch Streit, Eifersucht und Mord ein Verfallsdatum erreicht haben, war den Machern Grund genug, eine Neuauflage von "Götterschweiß und Heldenblut" ins Lustspielhaus zu bringen.

Gleich vorneweg: Prächtiges Amüsement bietet auch das überaus frisch daherkommende Revival der Erfolgsproduktion. Die beginnt mit dem Auftritt des Göttervaters Wotan, der von seiner hinreißend zickigen Göttergattin Fricka alias Gabi Rothmüller beschuldigt wird, als "Weltenlenker" finanziell zu versagen und stattdessen nur zur Zeugung von unehelichen "Walkürenschlampen" zu taugen. Eine davon ist Brunhilde, für die endlich ein Gemahl gesucht werden soll. Gespielt wird sie von dem Wotan-Darsteller Thomas Wenke, weshalb sie - wenig verwunderlich - ihrem Vater "wie aus dem Gesicht gerissen" wirkt. Für diesen vom Publikum bejubelten Travestie-Part zwängt Wenke seinen drallen Körper in ein blausamtenes Abendkleid und präsentiert als langwimprige Gailtalerin-Version (eine kleine Reminiszenz an den "Watzmann"-Autor Manfred O. Tauchen) seinen Auftrittssong in verführerischem Zarah-Leander-Timbre. Aber auch der niederbayerische Kabarettist Martin Frank, der mit blonder Billigperücke und im Kuhfell-Röckchen den Drachentöter und Titelhelden Siegfried mimt, ist umwerfend. Nicht zuletzt deshalb, weil der ausgebildete Bariton beim melodisch-parodistischen Aufeinandertreffen von Wagner und Claydermann beweist, dass er durchaus auch hohe Töne beherrschen würde.

Die spielfreudige Comedy-Truppe, komplettiert unter anderen von Alexander Liegl als von sich selbst beglücktem König Gunter und Constanze Lindner als welk-frivoler Kriemhild, macht aus dem Ring-Gerangel eine Riesensause. Dass deren Handlungselemente mitunter etwas unübersichtlich sind, macht rein gar nichts. Spätestens wenn der Lustspielhaus-Chef Till Hofmann den begehrten Ring, den Siegfried zwischenzeitlich in einer goldenen Gucci-Tasche mit sich herumtrug, als sächselnder Tonmeister Richard auf die Bühne bringt, steht fest: Wer "den Ring" jetzt noch immer nicht verstanden hat, sollte einfach wiederkommen (bis 31. August).

© SZ vom 19.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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