Zum Tod von Harry Rowohlt:Vom Spott zum Ernst

HARRY ROWOHLT BUCHMESSE FRANKFURT 17 10 09

Als Sohn des Verlegers Ernst Rowohlt und der Schauspielerin Maria Pierenkämper wurde Harry Rowohlt 1945 in Hamburg geboren. Nun ist er gestorben.

(Foto: imago/Hoffmann)

Er war ein Multitalent: Harry Rowohlt, Übersetzer englischer, irischer und amerikanischer Bücher, ist im Alter von 70 Jahren gestorben. Seine Begabung, von der Ironie in die Ernsthaftigkeit überzugehen, war einmalig.

Von Kristina Maidt-Zinke

Neuntausend Jahre, hatte Harry Rowohlt einmal ausgerechnet, hätte er alt werden müssen, um alle anstehenden Übersetzungsaufträge, die er hatte, noch erfüllen zu können. Das ist aber schon eine Weile her, und so dürfen wir auf die Schätzung wohl noch einen Tausender drauflegen.

Die Zahl der ins "Rowohltsche" übertragenen Bücher liegt gegenwärtig bei knapp unter zweihundert; dabei betrieb der Verlegersohn, der kurz vor Kriegsende in einem Hamburger Luftschutzkeller zur Welt kam, sein "kostspieliges Hobby" regelmäßig erst seit 1989.

Damals brillierte er mit der deutschen Neufassung von Flann O'Briens Roman "At Swim-Two-Birds" ("Auf Schwimmen-zwei-Vögel"), die ihn mit Anfang Zwanzig gegen den gesamten Rest der Gegenwartsliteratur immun gemacht hatte. Heute kauft man hierzulande viele Bücher irischer, englischer und amerikanischer Autoren vor allem deshalb, weil "Deutsch von Harry Rowohlt" draufsteht.

Das konnte Vater Ernst Rowohlt nicht ahnen, als er nach einer Schwejk-Lesung des Sohnes an seinem Sterbebett ihm riet, nicht Verleger, sondern Schauspieler zu werden, mithin in die Fußstapfen seiner Mutter Maria Pierenkämper zu treten. Und doch sollte er irgendwie recht behalten, denn etwa die Hälfte seines Ruhms verdankte Rowohlt junior seiner begnadeten (und auf zahlreichen Hörbüchern dokumentierten) Vortragskunst samt Stimmenimitation und Selbstinszenierung. Dass er in der Serie "Lindenstraße" als Penner Harry sogar Fernsehgeschichte schrieb, sei nur am Rande erwähnt.

Früher konnte er, der 1996 zum "Ambassador of Irish Whiskey" geadelt worden war und 2002 so etwas Ähnliches wie seine Memoiren unter dem Titel "In Schlucken-zwei-Spechte" veröffentlicht hatte, seine Lesungen noch als "Schausaufen mit Betonung" ankündigen. Dass er bisweilen Probleme hatte, in die eigene Veranstaltung eingelassen zu werden, weil er für einen Dichter zu struppig aussah, verstärkte die Legendenbildung.

Sprachtüftler mit linker Weltsicht

Nachdem 2007 bei ihm das unheilbare Nervenleiden Polyneuropathie diagnostiziert wurde, wurde nur noch Wasser getrunken, und wenn er in Schlangenlinien durch Eppendorf flanierte, tat er das mit Fleiß, "um den blinden Geradeausgehern auszuweichen".

Aus den vielen Interviews, die mit ihm geführt worden sind, möchte man unablässig zitieren, weil seine Begabung, nahtlos vom Spott zum Ernst überzugehen, so einmalig war. Dafür liebten wir ja auch seine Zeit-Kolumne "Pooh's Corner - Meinungen eines Bären von sehr geringem Verstand", die in den Neunzigerjahren zum Glanz des deutschen Feuilletons maßgeblich beitrug. Später, unregelmäßig wiederbelebt, hat sie jenen Kultstatus nie mehr erreicht, weil allenthalben ein anderer Wind wehte.

Harry Rowohlt aber blieb sich treu, seiner Schreibmaschine, seinem Sprachtüftler-Perfektionismus, seiner Heimat Hamburg, seiner linken Weltsicht. Am gestrigen Montag ist er gestorben.

Im März diesen Jahres feierte Harry Rowohlt seinen 70. Geburtstag. Die SZ veröffentlichte damals ein Porträt des Kult-Übersetzers. Dies ist eine aktualisierte Version dieses Textes.

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