Film:Omer Fasts "Continuity"

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Continuity? Der Film ist eher das Gegenteil, nie kann man sicher sein, was hier wie zusammengehört. Gerade deshalb aber ist dieser surreale Albtraum so groß.

Von Philipp Stadelmaier

Was heißt hier "Continuity"? Von Anfang an kann man sich nicht sicher sein, in welche zeitliche Reihenfolge die Szenen dieses Films gehören. Der Soldat, der durch die afghanische Wüste irrt, die Frau, die weinend im Bett liegt, eine Hand, die ein Namensschild am Briefkasten befestigt, eine andere Hand, die Gegenstände aus einer Schachtel nimmt und auf einer Kommode verteilt - wie hängt das alles zusammen?

Vorübergehend nimmt der zweite Spielfilm des Videokünstlers Omer Fast dann doch eine relativ lineare Gestalt an: Ein Mann (André Hennicke) und eine Frau (Iris Böhm) fahren zu einem Bahnhof in der tiefsten deutschen Provinz, um ihren Sohn abzuholen. Ein Soldat, der aus Afghanistan auf Heimaturlaub gekommen ist. Aber dann kippt alles wieder. Die Figuren sind sich seltsam fremd. Man sieht den Vorgang in insgesamt drei Variationen, mit drei verschiedenen Schauspielern, die den Soldaten spielen. Dazu gibt es noch zwei weitere Figuren in Nebenhandlungen: ein Callboy, der auch als Soldat in Afghanistan gezeigt wird, und ein Junge, der auch ein Sohn des Paares sein könnte. Die ganze Sache entspinnt sich wie ein mysteriöser Thriller. Man versucht, die einzelnen Teile im Kopf zu ordnen, was aber kaum gelingt. Der Film kreist um ein traumatisches Ereignis, das im Dunkeln bleibt, von dem man nicht weiß, wo es sich zugetragen hat. Die Gewalt des Krieges überlagert sich mit der Gewalt der Familie. Was dabei herauskommt, ist eine Serie von surrealen Phantasmen. Der Vater stochert dem Sohnemann im Mund herum, die Mutter kriecht zum Jungen ins Bett, beim Abendessen fantasiert der "Sohn" abgerissene Finger zwischen die Spätzle.

Überhaupt wird klar: Jede Figur kann auch nur die Erinnerung, das Begehren einer anderen sein. "Continuity", das ist auch eine Aufgabenbeschreibung beim Filmemachen - wer dafür zuständig ist, muss die Anschlussfähigkeit der gedrehten Szenen überwachen, den Zustand und Faltenwurf der Kostüme, den Sitz der Frisuren. Hier aber ist Kontinuität nicht der logische Zusammenhang zwischen Bildern, sondern ein Phantasma, das verschiedene Körper miteinander verbindet. Omer Fast ist ein echter Alchemist, der im Film neue Körper konstruiert. Die Kontinuität, ihr Zusammenhang bleibt ein reines Phantasma.

© SZ vom 19.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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