"Margos Spuren" im Kino:Jeder kann großartig sein

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Sie ist das typische Mädchen zum Verlieben, doch Margo ist vielschichtiger als das Bild, das die Teenagerromanze "Margos Spuren" von ihr zunächst zeigt.

Von Benedikt Frank

Es klingt wie eine Zauberformel, wenn Quentin den Namen des Mädchens ausspricht, in das er sich sofort verliebt: "Margo. Roth. Spiegelman." Wie alle Mädchen, in die man sich in Filmen verliebt, geht sie in Zeitlupe. Sie wohnt jetzt gegenüber und ist so cool, dass sie sich nicht erschreckt, als die beiden Kinder eines Tages eine Leiche finden, stattdessen betrachtet sie diese von Nahem: komisch, sie dachte, die Augen von Toten wären immer geschlossen.

Quentin aber ist schüchtern, ein Schisser, der nicht wie Margo nachts aus dem Fenster steigt, um Abenteuer zu erleben, der sich aus Unsicherheit an Regeln klammert. Darum bleibt er ihr auch bis ins letzte High-School-Jahr nur in stiller Bewunderung verfallen.

Wer auch nur einen einzigen Teenie-Film gesehen hat, ahnt jedoch: Im letzten Schuljahr ändert sich alles, von all den bisher gelebten Jahren ist es zudem das beste.

Das ist auch in Jake Schreiers Verfilmung von John Greens gleichnamigem Roman so. Und doch ist "Margos Spuren" nicht nur eine Coming-of-Age-Geschichte, und Margo füllt nicht nur die Charakterschablone des Manic Pixie Dream Girls aus, des quirligen Mädchens, das auftaucht, und deretwegen ein Junge aufblühen kann.

Als der Film gerade Fahrt aufgenommen hat, verschwindet Margo. Das ist zunächst kein Grund zur Aufregung, man kennt das von ihr. Doch Quentin, der sie als Letzter gesehen hat, glaubt sie finden zu können, glaubt, dass Margo ihm eine Fährte gelegt hat, weil sie von ihm gefunden werden will. Der Film ist dann plötzlich mehr Detektivgeschichte als Teenagerromanze.

Viele Sicherheiten geraten ins Wanken

Die Hinweise wirken beinahe wie John Greens persönliche Empfehlungen ans Publikum. Ein Woody-Guthrie-Poster hängt in Margos Zimmer an der Wand, mit seinem Markenzeichen, der Gitarre mit dem Schriftzug "This machine kills fascists".

Der Spruch klebt so auch auf Greens Laptop, hinter dem er sitzt, wenn er auf Youtube einem Millionenpublikum Literatur und Geschichte erklärt. Die Spur führt weiter zum Dichter Walt Whitman und von dort zu den Paper Towns, Städten, die nur auf dem Papier der Landkarten existieren, damit die Verlage an ihnen Kopien erkennen können.

"Paper Towns" ist auch der Originaltitel des Romans. Warum in der deutschen Synchronisation auch von "Plastikstädten" gesprochen wird, bleibt ein Rätsel.

Eine Karte ist nicht das Gleiche wie die Landschaft, die sie beschreibt. Dass auch Margo vielschichtiger ist als das Bild, das Quentin sich von ihr macht und das der Film am Anfang von ihr zeigt, das Bild eines Mädchens zum Verlieben, wird langsam sichtbar. Nach einem weiteren Genrewechsel - die Spurensuche wird zum Roadtrip - geraten viele Sicherheiten ins Wanken.

"Margos Spuren" schwankt zwischen Euphorie und Melancholie und hat doch eine durchweg positive Botschaft. Mit "Don't forget to be awesome" verabschiedet sich John Green in seinen Youtube-Videos von den Zuschauern. Vergesst nicht, großartig zu sein, erinnert auch der Film, und weiter, dass jeder großartig sein kann: die Verlierer, die Traummädchen, die Schüchternen und die Ausreißer - weil sie mehr sind als das Bild, das andere sich von ihnen machen.

Paper Towns , USA 2015 - Regie: Jake Schreier. Buch: Scott Neustadter nach dem Roman von John Green. Kamera: David Lanzenberg. Schnitt: Jacob Craycroft. Mit: Nat Wolff, Cara Delevigne, Austin Abrams, Justice Smith, Halston Sage. Verleih: Fox, 109 Minuten.

© SZ vom 03.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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