Essen:Worst of Wurst

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Fußballpizza mit Spinat und 22 Würstchen. Blackys Kochklops. Hackfleisch mit Ananas. Tomatenscheiben mit Fondor bestäubt. Mikrowellenkäsebrot. Eine Webseite sammelt die schrecklisten Rezepte von Chefkoch.de.

Von Maximilian Sippenauer

Auf der Fußballpizza treten im Spinatrasenbelag 22 Minisalamis gegeneinander an. Für die Apfelwurst sind Kerben in eine gepellte Lyoner zu schneiden, mit Ketchup und Senf auszustreichen und dann mit Apfelspalten zu füllen. Zwiebelpulver drüber, et voilà: guten Appetit. Beide Rezepte stammen von Chefkoch.de, der Seite also, auf der ein kochbegeistertes Deutschland seit 1998 seine liebsten Gerichte hochlädt und diskutiert. "Setz' doch noch ein Fleischklößchen als Ball zwischen die Salamis. Gruß Inge." So ungefähr.

Mit rund 300 000 Rezepten ist die Webseite das kulinarische Debattenforum für onlineaffine Hausfrauen und -männer und gewährt einen guten Einblick in das Treiben an den bundesdeutschen Herden. Das Blog Worstofchefkoch.tumblr.com trägt seit Kurzem die grausigsten Kreationen, die sich dort finden lassen, zusammen und zeigt: Kulinarisch ist Deutschland gespalten.

Zugegeben, Chefkoch.de suchte von jeher die Nähe zur gutbürgerlichen Küche. In Dosenpfirsich, Toast Hawaii und Maggiwürze lebte hier der kulinarische Geist der Fünfzigerjahre weiter. Nicht verwunderlich also, dass das Portal schnell muffig wirkte, als in den letzten Jahren auch in Deutschland etliche Foodtrends aus dem Boden sprossen. Die Foodies mit dem hauseigenen Wasabi aus der Badewanne verließen die Seite, protzten mit ihren Chiasamen-Kreationen lieber auf Instagram, als andere zum Nachkochen anzuregen. Abseits von #foodporn entstand auf Chefkoch.de eine Bastion germanischer Rezeptkultur, die ungesehen das inzestuöse Spiel zwischen Kartoffel und Hackepeter weitertrieb.

Das lustige Blog legt diese Abgründe schonungslos offen: Tomatenscheiben mit Fondor bestäubt, Mikrowellenkäsebrot de luxe oder - falls Gäste kommen - der Döner-Auflauf. Wer kocht hier? Selbst im Schützenverein ist der Farmersalat im Fleischwurstmantel mit Ketchup-Mayo-Tupfern doch nicht mehr salonfähig, oder? Scrollt man durch Worstofchefkoch, offenbart sich eine deutsche Fleischwurstigkeit, die erahnen lässt, dass die Zeiten von Mett und Rotwurst noch längst nicht überwunden sind. Einziger Wermutstropfen des Blogs: Wenn sich der Blogger über die Kochanweisungen lustig macht, dann ist das oft nicht viel raffinierter als die Gerichte selbst. So gesehen ein Fingerzeig zurück: Mit Snobismus geht Verantwortung einher.

© SZ vom 23.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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