Eching:Alles ist Blech

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Eher von der traditionelleren Fraktion: die "Innviertler Wadlbeisser". (Foto: Marco Einfeldt)

Von Balkan bis "Rage against the machine": Die "Brass Wiesn" in Eching

Von Karen Bauer, Eching

Bayern und Blasmusik, das gehört zusammen. Dass in Trompete, Tuba, und Posaune, vor allem aber in den zugehörigen Musikern weit mehr steckt als daher geblasenes Bierzelt-Umpftata, das zeigte am Wochenende einmal mehr das "Brass Wiesn"-Festival in Eching bei München: Mehr als 30 Blaskapellen, -orchester und Brassbands ließen es scheppern und bewiesen, dass Blech und Rap, Punk oder Salsa wunderbar zusammenpassen.

Wer nach der "Brass Wiesn" 2015 mit Haindling, Moop Mama und LaBrassBanda vom diesjährigen Line-Up vielleicht ein wenig enttäuscht war, wurde gleich am ersten Festivaltag versöhnt: LaBrassBanda-Frontmann Stefan Dettl tanzte in Lederhosen und Filzschlappen durch das nasse Gras vor der Hauptbühne. Der virtuose Trompeter, der mit seinem Turbo-Ska die Blasmusik seit bald zehn Jahren neu erfindet, bleibt nicht lange unerkannt: Ein Selfie mit Fans hier, ein Autogramm auf einer Schirmmütze da. Dettl gibt sich wie gewohnt bodenständig und feiert mit Band-Kollege Manuel Winbeck zum Konzert des Dzambo Agusevi Orchestra aus Mazedonien. Die neun Musiker, allesamt aus einer Familie, blasen gegen den Nieselregen an, hauen Vollgas in die Ventile und heizen dem Publikum mit Balkan-Klängen und orientalisch anmutendem Gesang ein. "Wie geil sind die denn bitte?" fragt Stefan Dettl daher zu Recht kurze Zeit später das Publikum vor der Radio-Buh-Bühne. Da er schon mal da ist, lässt es sich Dettl nicht nehmen und spielt kurzerhand mit dem Radio Buh Orchester den "Jägerländer Musikantenmarsch", nur um im nächsten Moment zur Blech-Version von Rage Against the Machine "Killing In The Name Of" zu brüllen. Rampensau bleibt Rampensau.

Aber das können auf der "Brass Wiesn" noch andere: Django S zum Beispiel. Ihr Motto ist "Vollgas - Leberkas": Die Jungs aus München spielen einen "Bastard aus Ska, Rock 'n' Roll, Mundart, Balkan Beats und bayerischer Lässigkeit". Zu den furiosen Bass-Riffs von Klaus "Motschep" Moser jagen sich die Bläser oberkörperfrei in bunten Badehosen über die Hauptbühne, während Frontsänger Leonard "Faxe" Spies ins Mikrofon röhrt. Das Publikum tanzt Pogo in Lederhosen und neonfarbenen Turnschuhen, Dirndl und Gummistiefeln. So wie die Jungs auf der Bühne ihren Blasinstrumenten zeitgemäßen Groove abringen, machen die Besucher die Traditionskleidung festivaltauglich.

Später rappt das Duo Dicht und Ergreifend zu Tuba, Trompete und Zither seinen bairischen Sprechgesang. Dass Nicht-Bayern im Publikum dabei weniger verstehen als bei englischen Texten - geschenkt. Die Niederbayern George Urquell und Lef Dutti zelebrieren ihren Heimat-Dialekt, obwohl oder gerade weil sie mittlerweile in Berlin leben. Sie rappen mal auf die Melodie von Manu Chaos Reggae-Hymne "Me gustas tu" die bayerische Text-Version "Hab net gwusst, dass du", singen im nächsten Song gegen "Dampfplauderer" an. Ob Soulsample oder Volkstanz mit fetten Beats unterlegt - der Sound geht ins Blut und das Publikum hüpft. An selber Stelle lässt manch einer beim nächsten Konzert zum "ersten Salsa-Walzer der Welt" der Headliner Die CubaBoarischen im Latino-Style die Hüften kreisen - man ist flexibel, was die Tanzbewegungen angeht.

Dass zeitgenössische Blasmusik nun keine rein bayerische Erfindung ist, daran erinnert die Hot 8 Brass Band aus New Orleans und verschmilzt Afro-Beats und Reggae mit donnerndem Blechsound. Aber viele junge Bands beweisen, dass Blasmusik in Bayern lebt: Impala Ray, die sich mit ihrem tanzbaren Indie-Pop längst einen Namen gemacht haben, rocken die Zeltbühne. Clubstas singen ihre politischen Texte über "Politika" konsequent auf bairisch. Und mit der Lischkapelle, hervorgegangen aus einer Schulband im Chiemgau, wächst schon die nächste Band heran, die "Mumford & Sons"-Folk in Blasmusik übersetzt.

Aber auch die traditionelle Blasmusik wird gefeiert: Die Kapelle Josef Menzel spielt Polkas, Märsche und Ländler und bläst dabei mit so viel Inbrunst ins Blech, dass unweigerlich alle Mitklatsch-Reflexe anspringen und das Publikum auf Tischen und Bänken eine Party feiert, wie sie vielleicht nicht einmal auf der Wiesn zu finden ist. Tradition rockt auch, wenn sie gut gemacht ist.

© SZ vom 08.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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