"Die fantastische Welt von Oz":Jenseits aller Regenbögen

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Michelle Williams als "Glinda" in "Die fantastische Welt von Oz" (Foto: dpa)

Wieder einmal tobt ein Wirbelturm über Kansas und entführt einen Kinohelden in "Die fantastische Welt von Oz". Sam Raimi verbeugt sich vor dem Kinoklassiker von 1939 - aber heimlich.

Von Susan Vahabzadeh

Es gibt noch kein Reich von Oz an Anfang des Films, Oscar ist noch in Kansas, lange, bevor Dorothy geboren wird. Er ist ein Gaukler und Verführer, einer, der mit billigen Tricks sein Publikum und die Frauen übers Ohr haut. Nur eine liebt er wirklich, und an seinem treuen Gefährten hängt er mehr, als er weiß. Er hat einen Trick zu viel durchgezogen auf dem Jahrmarkt, ein bärenstarker Kerl ist ihm auf den Fersen, aus Eifersucht - und nun steigt Oscar in eine der Attraktionen, den Fesselballon, und schneidet ihn los. Es hat sich aber nicht nur auf dem Jahrmarkt einiges zusammengebraut, auch am Himmel über ihm - Oscar und sein Ballon werden von einem fürchterlichen Sturm mitgerissen, hinaus aus dem schwarz-weißen Kansas in ein farbenprächtiges Märchenreich jenseits aller Regenbögen, voller riesiger Blumen, prächtiger Städte und bildschöner Hexen - aus dem Computer auf die Leinwände gezaubert.

Sam Raimi, der die "Spidey"-Reihe mit Tobey Maguire gemacht, hat seinen Film "Die fantastische Welt von Oz" als Prequel zur berühmten Geschichte von Lyman Frank Baum angelegt, und irgendwie natürlich auch zu dem wunderbaren Film "Der Zauberer von Oz" mit Judy Garland aus dem Jahr 1939. Die Rechte an dem alten MGM-Film liegen bei Warner, Raimis Film aber ist ein Disney-Projekt - er darf sich also eigentlich nur auf das Buch, nicht aber auf den Film beziehen und seine diversen Drehbuch-Versionen. Ungezählte Autoren und ein halbes Dutzend Regisseure wurden damals verschlissen, gleich mehrere - unter anderem George Cukor und Victor Fleming - wechselten rüber zum anderen Großprojekt, das dann jahrzehntelang nicht totzukriegen war, "Vom Winde verweht". Was auch ein schöner Alternativtitel für beide "Oz"-Filme wäre - sie beginnen damit, dass einer aus dem schwarz-weißen Kansas verweht wird.

Das ist nicht die einzige Parallele: Sam Raimi hat dann doch einen Weg gefunden, dem alten Film Reverenz zu erweisen mit seinem Traum und Wunderland - eine Porzellanstadt gibt es da, an der hätte Alice zum Beispiel ihre Freude gehabt. Oscar (James Franco) begegnet einer hübschen, sehr netten Hexe (Mila Kunis), die ihn mit in die Smaragdstadt nimmt. Unterwegs bekommt er einen Diener, ein Äffchen - und in der Stadt schickt ihn eine zweite Hexe (Rachel Weisz) auf eine schwierige Mission: Er soll die Widersacherin, die das Reich zu zerstören droht, am anderen Ende des Landes aufstöbern und unschädlich machen. Oscar rekrutiert unterwegs noch einen Neuzugang für sein Gefolge: ein kleines Mädchen aus Porzellan, die einzige, die bei einem Angriff des Geschwaders, das die Böse Hexe losgeschickt hat, nicht ganz zerbrochen ist. Ihre Beine muss Oscar erst einmal zusammenkleben - seine erste Großtat als Magier.

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:Von Märchen und Muskeln

An den Charme des alten Films kommt der neue "Oz" nicht heran, ein schönes Märchen ist es dennoch. In anderen Kino-Geschichten will Nora Tschirner auf dem Ramschtisch einer Möchtegern-Komödie unbedingt geheiratet werden und der alternde Sylvester Stallone zeigt unverwüstlich Muskeln.

Von den SZ-Kritikern.

Oscar gerät zwischen die Hexenfronten, er muss einer großen Intrige auf die Schliche kommen, um die Bösen und die Guten voneinander zu unterscheiden. Es gibt ganz vieles hier, was dann eben doch dem alten "Oz" entliehen ist, die Yellow Brick Road, einen Löwen, der noch Mut hat, eine Vogelscheuchenarmee, Munchkins und Hexen des Nordens und des Westens, und irgendwie ist das kleine Porzellanmädchen - eine wirklich rührende Figur, und tricktechnisch durchaus gelungen - ja doch eine Ersatz-Dorothy.

"Die fantastische Welt von Oz" ist ein Hollywood-Spektakel, mit den üblichen Showdowns und Effekten und der unvermeidlichen Filmmusik von Danny Elfman - inzwischen ist sowas dann, leider, Dutendware. Es bleibt einem nicht jedes Mal der Mund offen stehen, wenn jemand aus CGI-Bildern noch mal eine neue Welt erschaffen hat. Und manchmal würde man sich wünschen, an diesem Drehbuch hätten noch mal fünf, sechs Profis gefeilt. Aber ganz schön anzusehen ist es dann doch, und mehr noch: Es gibt zusätzlich eine spukhafte Idee, die diesen "Oz" zu einem Psychostück macht: die ganze wunderbare 3D-Welt von Oz ist in Oscars Kopf. Die Hexen, das Porzellanmädchen, das Äffchen - sie sind in Wahrheit Menschen, denen er in Kansas begegnet ist. Ein Kind saß da im Saal, im Rollstuhl, und bat Oscar um Hilfe - aber er kann nicht zaubern. Und das wird er auch jenseits des Regenbogens nicht können.

Die Magie aber, die er zu bieten hat, die Sinnestäuschungen und Listen eines Jahrmarkt-Gauklers, werden reichen, um das Märchenreich zu retten - er wird die großen Schlachten mit kleinen Tricks schlagen. Und irgendwie ist das ja schon im Herzen ein ganz wunderbarer Verweis aufs Original, auf das Kino an sich: Weil es letztlich eben nicht darauf ankommt, wer über das größte technische Arsenal verfügt - es geht darum, wer den besten Einfall hatte.

Oz the Great and Powerful , USA 2013 - Regie: Sam Raimi. Drehbuch: Mitchell Kapner, David Lindsay-Abaire. Kamera: Peter Deming. Mit James Franco, Mila Kunis, Rachel Weisz, Michelle Williams, Zach Braff . Disney, 130 Minuten.

© SZ vom 09.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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