Die CDs der Woche - Popkolumne:Na servus

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So sieht sie aus auf ihrem Debütalbum: Conchita Wurst. (Foto: AOR/Sony)

Ironie mal Ironie ergibt Authentizität: Andreas Gabalier interpretiert mit "Mountain Man" mathematische Gesetze neu. Und Tom Neuwirth erlaubt sich musikalische Brüche, die so radikal sind wie seine Verwandlung in Conchita Wurst.

Von Max Fellmann

Erst in dieser Woche erscheint mit "Conchita" (AOR/Sony) das Debüt-Album von Conchita Wurst. Kaum zu glauben, nach all den Berichten und Geschichten und Auftritten und Aufregungen. Ist es nicht schon Jahre her, dass Conchita aus Österreich den Eurovision Song Contest gewonnen hat? Ist es nicht ewig her, dass die Frau mit dem Bart im Alleingang mehr für die Diskussion über sexuelle Diversität getan hat als alle Gleichstellungsbeauftragten zusammen?

Die Schlachten sind geschlagen, die Debatte ist geführt, jetzt kommt es darauf an, ob Conchita Wurst auch als musikalisches Phänomen überzeugen kann. Um das Geschäft muss man sich vorerst wohl keine Sorgen machen: "Conchita" ist gut gefüllt mit zeitgemäßem, radiotauglichem Breitwandpop - große Refrains, großes Drama, dicke Streicher, knallig und unterhaltsam.

Was man an ihrem Eurovision-Hit "Rise Like A Phoenix" mochte, findet sich hier noch ein paar Mal auf demselben Niveau.

Interessanter wird es, wo Brüche erlaubt sind. In "Colour Of Your Love" will eine Abba-artige Strophe ständig in den fulminanten Musical-Refrain kippen, stattdessen bremst alles ab, ein Computer spielt Schnipseljagd mit Conchitas Stimme, verfremdet sie bizarr, dann setzt eine Saz ein, das türkische Saiteninstrument, und Stimmung und gefühlter Ort des Songs ändern sich vollkommen. Bevor alles wieder in die Abba-Strophe mündet.

In diesen Momenten macht die Musik fast so radikale Sprünge wie Tom Neuwirth, der sich morgens vor dem Spiegel in Conchita Wurst verwandelt. Und genau das sind die großen Momente.

Und gleich noch mal Österreich: "Verliebt, verliebt - wenn ein kunterbunter Regenbogen dir zu Füßen liegt, bist du verliebt", singt Andreas Gabalier. Sollte man über dieses Sprachbild vielleicht kurz reden? Falscher Ansatz. Gabalier-Fans wollen nicht über Metaphorik diskutieren, Gabalier-Fans wollen tanzen und jubeln und Feuerzeuge schwenken.

Und dagegen gibt es im Grunde nichts zu sagen. Der Mann hat ein ganz eigenes Genre erfunden, den volkstümlichen Schlager-Power-Pop. Eine Musik, die zugleich sehr, sehr hemdsärmlig und unfassbar rührselig ist.

Das Bemerkenswerteste an ihm aber ist etwas anderes: Er hat es geschafft, das Stilmittel Ironie so umzudeuten, dass er genau dann für besonders echt und glaubwürdig gehalten wird, wenn er mit jeder Geste zu sagen scheint: Ist doch alles nur Schmarrn.

Das Cover seines neuen Album "Mountain Man" (Electrola) zeigt ihn als muskelbepackten Superhelden, der ein Mädchen rettet, gezeichnet als Mischung aus Marvel Comic und sowjetischer Propaganda. Und die 13 Lieder tragen wirklich Titel wie "Königin der Alpen" und "Edelweiß".

Die Texte, die Refrains, alles hier ist Alpenpop-Material, das spätestens seit dem "Watzmann"-Musical in den Siebzigern nur noch als ironisches Zitat erlaubt schien. So etwas kann man eigentlich nur bringen, wenn man dabei ein Auge zudrückt. Gabaliers Trick: Er drückt gleich beide zu. Minus mal Minus ergibt Plus. Ironie mal Ironie ist Authentizität. Nennen wir es Gabalistik.

Als Auftakt des Albums begrüßt der Mann seine Fans übrigens so: "Wir sagen servas, habe die Ehre und hallo / Wir ham uns lang, vui zu lang scho nimmer gsehn, wie gehts eich denn so". Und wie muss da natürlich der Refrain lauten, alpenländisch, lokalpatriotisch, in schönstem Dialekt, der Refrain, den alle sofort mitsingen wollen? Genau: "We salute you". Na servus.

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Merkwürdig, was aus WhoMadeWho geworden ist. Als die drei Dänen noch beim Münchner Gomma Label unter Vertrag standen, machten sie schlaue elektronische Disco-Musik. Mittlerweile, ein paar Jahre und Labelwechsel später, sind sie mit der neuen EP "Ember" (Get Physical) bei introvertiertem Geplucker angekommen, Drumcomputer und Synthibässe drehen einsam ihre Schleifen, alles klingt neblig und gebremst wie der Sonntagmorgen nach dem großen Rausch.

Schöne Musik fürs Mittagsschläfchen, ja. Aber der Drang zum großen Hurra war irgendwie zwingender. Mal sehen, ob die drei irgendwann wieder aufwachen.

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Auch Jahre nach der Trennung von Oasis ist den britischen Medien offenbar noch jedes Husten von Noel oder Liam Gallagher eine Nachricht wert. Jetzt hat Noel Gallagher in Interviews über die Boygroup One Direction geschimpft, und Liam hat ihm daraufhin via Twitter zugerufen, er solle die Jungs in Ruhe lassen.

Nahezu jede englische Zeitung hat das gemeldet. Warum? In Wahrheit natürlich nur, weil jeder Ton, den die beiden von sich geben, auf das eine große Thema hin untersucht wird: Besteht Aussicht auf eine Oasis-Wiedervereinigung? Tja - die britischen Buchmacher sehen die Chancen nach dem One Direction-Zwischenfall wieder etwas schlechter.

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© Süddeutsche Zeitung vom 13.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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