"Der böse Onkel" im Kino:Im Duschraum mit Gitarre

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Missbraucht Sportlehrer Armin (Jörg-Heinrich Benthien) eine Schülerin? Szene aus dem Film "Der böse Onkel". (Foto: dpa)

Urs Odermatts tollkühner No-Budget-Film "Der böse Onkel" ist mit seinen in die Kamera gebrüllten Statements für eine Weile ziemlich furios. Trotzdem wäre es besser gewesen, Odermatt hätte sich an einem anderen Thema als dem Missbrauch von Minderjährigen vergriffen.

Von Susan Vahabzadeh

Schrill und laut ist "Der böse Onkel" auf jeden Fall. Zwei Frauen beklagen ihre Ankunft in einer düsteren Zwischenhölle, die aussieht wie eine nächtliche Bezirksirrenanstalt des 19. Jahrhunderts; dass die eine die kämpferische Mutter Trix Brunner, die andere eine dem Dorffilz verfallene Kommunalverwaltungsangestellte ist, wissen wir noch nicht. Ganz schnell sind wir beim Dorfstrizzi, der leider Sportlehrer ist - nackig posiert er im Duschraum mit Gitarre, von sich selbst berauscht. Ansonsten berauscht er sich an seinen Schülerinnen, mit denen er eine Handtuch-Variante der Reise nach Jerusalem spielt: Immer ein Handtuch weniger im Spiel als nackte Mädchen.

Noch ein Film also, in dessen Mittelpunkt der Missbrauch von Minderjährigen steht, nach Thomas Vinterbergs "Die Jagd" - der wirkt daneben wie ein Stück Hochglanz-Hollywood. Urs Odermatt hat hier sein eigenes Bühnenstück verarbeitet, mit fast null Budget und ziemlich viel fehlgeleiteter Tollkühnheit. Ein Theaterfilm, mit seinen stilisierten Kulissen, all seinen in die Kamera gebrüllten Statements. Für eine Weile freilich ist das, auch für jemanden, der den Habitus der Bühne im Kino fehl am Platz findet, ziemlich furios.

Und irgendwie ist das alles dann doch im falschen Film. Miriam Japp etwa, die Trix Brunner spielt: Sie macht das großartig, sie hält permanent ein unglaubliches Aggressionslevel, und für einen Film über eine Frau, die sich gegen die Bigotterie in einem heuchlerischen, verfilzten Dorf zur Wehr setzt, wäre das vielleicht genau das Richtige. Sie schreit aber dauernd ihre Tochter an. Was hat das mit der Missbrauchsgeschichte zu tun? Und was soll das: Irgendwie sind die Mädchen dann plötzlich eh scharf drauf, sich von dem alten Sack betatschen zu lassen, dann auch wieder nicht, und irgendwann ist eine schwanger.

Opfer und Täter gegeneinander auszuspielen, ist wohl Urs Odermatts Plan - als wäre der Begriff "minderjährig" willkürlich gesetzt. Er hat sich, was sein Thema betrifft, gründlich verheddert - nicht jede Provokation ist gleich eine These. Und so einfallsreich "Der böse Onkel" filmisch vielleicht ist: Es wäre besser gewesen, Odermatt hätte sich an einem anderen Thema vergriffen, an irgendetwas, das ein bisschen witziger ist als Missbrauch von Minderjährigen.

Der böse Onkel, Schweiz/Deutschland 2011 - Regie und Buch: Urs Odermatt. Kamera: Markus Rave. Mit: Miriam Japp, Paula Schramm, Jörg Heinrich Benthien. Deja vu, 95 Minuten.

© SZ vom 12.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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