Comic "Obacht, Lumpenpack!":Achtung, vornehme Gesellschaft

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Kate Beaton zeigt, dass sich Hoch- und Popkultur humorvoll verbinden lassen. (Foto: Kate Beaton / Zwerchfell)
  • "Obacht, Lumpenpack!" ist eine Sammlung von Cartoons, die die kanadische Zeichnerin Kate Beaton zuvor online veröffentlichte.
  • In ihren Comics konfrontiert sie historische und literarische Figuren mit dem heutigen Alltag - sehr gekonnt.

Von Daniel Wüllner

Die Nation der Dichter und Denker ist stolz auf ihr Kulturgut. Das gilt in Deutschland auch für Comics. Sie sind oft bedeutungsschwanger, arbeiten historische Themen auf und verdienen sich dadurch das Prädikat "Graphic Novel". Dabei geht es auch lustig.

Das zeigt die Comiczeichnerin Kate Beaton mit ihrem erfolgreichen Webcomic " Hark, A Vagrant!". In kurzen Comic-Strips mit drei oder vier Bildern versetzt die Kanadierin literarische und historische Figuren in den heutigen Alltag.

Händel wird verdonnert, Billy Joels populären Song "Piano Man" zu spielen, Jules Vernes schreibt Liebesbriefe an Edgar Allen Poe und die Brontë-Schwestern lästern über Kerle, die geradewegs aus viktorianischen Romanen herausstolzieren.

Comic "Obacht, Lumpenpack!"
:Comics erklären Kultur

Comiczeichnerin Kate Beaton gelingt mit "Obacht, Lumpenpack!" der Brückenschlag zwischen Literatur, Popkultur und Geschichte. Die Bilder.

Leidenschaft für eigentümliche Interessen

Kunst, Literatur und Geschichte: Das sind die Themen, die der Comiczeicherin am Herzen liegen - genauso wie Superhelden-Comics, Pop-Musik und Piratenfilme. Beatons Brückenschlag besteht darin, den gemeinsamen Nenner zu finden: die Hingabe, mit der Comicleser und Fans viktorianischer Literatur ihre liebgewonnenen Themen betrachten. Mit einem grandiosen Gespür für Pointen neckt die Comic-Zeichnerin den Leser für seine eigentümlichen Interessen - die sie selbst teilt.

Beaton ist studierte Historikerin und hat in mehreren Museen gearbeitet. Dort hat sie die Erfahrung gemacht, dass Bildungseinrichtungen zu oft versuchen würden, Kunst und Wissenschaft möglichst seriös zu vermitteln. Die Kanadierin hingegen findet, ein lachender Museumsbesucher lasse sich viel besser für historische Themen begeistern. Allerdings bietet nicht jede Institution die Möglichkeit, Witze über Ausstellungsstücke zu machen.

Kate Beaton (Foto: Notker Mahr/Zwerechfell)

Ergo veröffentliche Beaton ihre humoristische Kulturvermittlung im Internet als Webcomic - ohne Kontrollinstanz, pädagogische Institution oder Verlag. Die Reaktionen der Leser sind unmittelbar, die Klickzahlen geben ihr recht.

Ihr Comic ist so erfolgreich, dass die englische Ausgabe vom Time Magazine zu einem der besten Bücher 2011 gewählt wurde und ihre Cartoons im New Yorker abgedruckt wurden. Weil sie intelligent beobachtet und ihre historischen Figuren komisch und kritisch reflektiert.

Auf Deutsch ist die jüngst erschienene Comic-Strip-Sammlung mit "Obacht, Lumpenpack!" übersetzt worden. Um auf die vornehme bis hochnäsige Gesellschaft früherer Zeiten zu verweisen, die der Comic karikiert.

Achtung, Feminismus

Auch der Feminismus findet sich in der Sammlung "Obacht, Lumpenpack!" wieder. Nicht als angestrengte Ideologie, sondern als selbstbestimmte Frau, die fröhlich ruft: Aus dem Weg, hier komme ich! Diese Frauen heißen Jane Austen, Sacagewea, Emily Brontë und Rosalind Franklin.

Im Comic werden die Damen nicht als strahlende Heldinnen präsentiert. Sie agieren genauso tölpelhaft und infantil wir ihre männlichen Pendants: George Washington furzt, Napoleon reißt Witze und Jane Austen erfindet aberwitzige Titel für ihre Romane wie "Stolz und Vorurteil und Monster Trucks".

Der Comic lädt zum unverkrampften Umgang mit Kultur, Geschichte und Literatur ein, weil er nicht versucht, mit dem erhobenen Zeigefinger zu belehren - sondern einfach witzig ist.

"Obacht, Lumpenpack!" ist im Februar 2015 im Zwerchfell Verlag erschienen.

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