Comic:Lang lebe Entenhausen!

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(Foto: Egmont Ehapa Media)

Donald, Dagobert und Micky Maus: Seit 50 Jahren gibt es das "Lustige Taschenbuch". Die Reihe hat den Horizont der hiesigen Disney-Fans entscheidend erweitert.

Von Christoph Haas 

Manch älterem Comic-Leser wird es einen Stich ins Herz gegeben haben: Seit Anfang September erscheint das traditionsreiche "Micky Maus Magazin" nur noch alle 14 Tage. Die Zeiten, in denen Kinder wöchentlich zu einem Kiosk oder in ein Schreibwarengeschäft pilgerten, um dort das neue "MM" in Empfang zu nehmen, sind wohl unwiderruflich vorbei. Das zeigt sich auch in der arg gesunkenen Auflage, die zu besten Zeiten eine Million betrug und inzwischen bei ungefähr 70 000 liegt.

Aber ganz ist die Sonne im Reich der Disney-Comics nicht untergegangen. Es gibt ja noch das "Lustige Taschenbuch", das mit der 500. Ausgabe nun seinen 50. Geburtstag feiern kann und monatlich rund 200 000 Leser findet. Das "MM" gibt es schon seit 1951, das Sonderheft "Die tollsten Geschichten von Donald Duck" immerhin seit 1965; verglichen mit seinen Konkurrenztiteln ist das "LTB" also eine Spätgeburt. Aber dass es ausgerechnet 1967 debütierte, hat seinen Sinn. In jenem Jahr tat sich einiges auf dem deutschen Comic-Markt: Der Carlsen Verlag begann Hergés "Tim und Struppi" zu veröffentlichen, Ehapa übernahm "Asterix".

Das "Lustige Taschenbuch" hat den Horizont der hiesigen Disney-Fans entscheidend erweitert. Zunächst einmal bietet es mit seinem Umfang von knapp 260 Seiten die Möglichkeit zum Abdruck langer Storys, die im "MM" und den "Tollsten Geschichten" nur gestückelt Platz finden können. Außerdem hat das "LTB" seine eigene Ästhetik, da das in ihm vertretene Material überwiegend aus Italien stammt. Ähnlich wie die dortige Filmindustrie in den Fünfzigern bis Achtzigern die amerikanische Genreproduktion - Western, Thriller, Horror - kreativ abwandelte, so arbeiten italienische Zeichner bis heute an ihrer eigenen Version des Disney-Kosmos. Vor allem jüngere "LTB"-Comics sind oft poppiger und dynamischer, cartoonhafter gezeichnet als ihre klassischen amerikanischen Vorbilder, die von Carl Barks oder Tony Strobl stammen. Aber auch die inhaltlichen Unterschiede sind beträchtlich. Künstler wie Romano Scarpa und Giovan Battista Carpi, Giorgio Cavazzano und Andrea Castellan haben Entenhausen mit diversen neuen Figuren bevölkert, deren berühmteste zweifellos Phantomias ist. Im Jahr 1969 erfunden, trat dieses Superhelden-Alter Ego von Donald Duck in Deutschland erstmals im 1976 erschienenen "LTB" Nr. 41 auf und war auf Anhieb ein Fan-Favorit. Als Phantomias muss Donald einmal nicht der ewige Loser sein, sondern kann als cooler, Batman ähnlicher Cape-Träger durch die nächtlichen Straßen seiner Heimatstadt düsen.

Gewandelt hat sich das "LTB" im Lauf der Jahre kaum. Der Kerntitel wird mittlerweile von diversen Specials flankiert, darunter Halloween- und Weihnachts-Ausgaben. Insgesamt geht der Trend eher zu weniger umfangreichen Geschichten; der Atem der Leser ist kürzer geworden. Dass früher aus ökonomischen Gründen nur jede zweite Doppelseite in Farbe gedruckt war, ist eine Kuriosität, die beim Herauskramen alter "LTB" nostalgisch stimmen kann. Längst aufgehoben ist auch die strikte Trennung zwischen Donald- und Micky-Bänden: Die brave Maus ist nicht mehr beliebt genug, um alleine als Kaufanreiz zu dienen. Stellt man die Bände lückenlos ins Regal, addieren sich seit 1987 deren Buchrückenmotive zu Bildern. Der fortdauernde Erfolg der Reihe dürfte auch darauf beruhen, dass sie sich so schön sammeln lässt. Und dann sind da noch Format und Gewicht, die perfekt sowohl zu großen wie kleinen Händen passen.

Zum Jubiläum sind zwei Kassetten erschienen: Die "Nostalgie-Edition" enthält Original-Nachdrucke der ersten zehn "LTB"; die "Fan-Edition" versammelt in fünf Bänden von Lesern ausgewählte Lieblingsgeschichten aus 50 "LTB"-Jahren.

© SZ vom 11.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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