Brad, der Baumeister:Design fürs Glück

Lesezeit: 2 min

Was macht Brad Pitt in seiner Freizeit? Hollywood-Stars haben oft ausgefallene Hobbies: Johnny Depp mag Insekten, John Travolta sammelt Flugzeuge. Brad hingegen baut gerne Häuser und richtet sie auch gleich ein. Seine Architekten gehören zu den Stars der Szene.

Angela Köckritz

Man stelle sich das vor: Las Vegas, ein Ladies Boutique Hotel. Vorbei stöckeln die Damen, das Big Hair zu Beton gesprüht. Hasten zu Einkaufsorgien, hier noch eine Tasche, dort noch einen Schuh, und abends dann gemeinsam mit den Freundinnen zu den Chippendales.

Wer sagt, dass Schneckenhäuser langweilig sind? Graft-Entwurf für ein Luxus-Ressort in der Dominikanischen Republik. (Foto: Foto: Graft)

Ein Ladies Boutique Hotel, das ist eine große geldverschlingende Sause. Und welche Form würde besser dazu passen als die eines Lippenstiftes? Sich um sich selbst windend wächst der Zylinder am Las-Vegas Strip empor, ein Entwurf des Architekturbüros Graft.

Riesig und rot beleuchtet steht er da, der Turm, weder subtil noch sonderlich bescheiden, aber spektakulär - so wie fast alles, was die deutschen Architekten Graft entwerfen. Sehen kann man das derzeit in der Ausstellung ,,Graftworld'' in der Aedes-Galerie am Pfefferberg in Berlin.

Da wäre zum Beispiel die Kirche, die in Wünsdorf in der Nähe von Berlin gebaut werden wird. Glas, das in sich gefaltet wurde, so mühelos als sei es eine Papierserviette. Oder aber die Riga Tree Houses, ein Graft-Entwurf für Litauen. Bumerangförmige Ebenen liegen übereinander. Weit greifen ihre Arme in den angrenzenden Wald hinein, und manchmal wirkt es, als drehe sich das Wohnhaus wie ein Karussell zwischen den Bäumen.

Die Lakeside Villa in Berlin wiederum scheint wie ein Rochen über den See zu gleiten. Manchmal entwerfen die Architekten von Graft aber auch Landschaften, das Berliner Designhotel Q zum Beispiel. Rotes Linoleum wirft sich zu Hügeln und Tälern auf, der Tisch wird zur Wand, die Wand zum Sofa, und Decken vereinen sich mit Böden.

Ein Art Kakophonie

Die Entwürfe von Graft flüstern nicht. Sie schreien: Design. Die Dinge verschmelzen. Der Bücherschrank dehnt sich zur Chaise Longue, die Wände verschlucken Türen, Schränke, Stühle. Es gehe, sagen die Architekten, um die Vereinigung der Gegensätze.

Regeln, Theorien, Architekturschulen? Werden eingeschmolzen, bis aus ihrem Sud etwas Neues entsteht. "Graft ist Kakophonie", sagen die Architekten. Allgemeingültiges sei längst passé, die "Suche nach einem rettenden Internationalismus zum Scheitern verurteilt".

Eigentlich steht "Graft" im englischen für "Bestechungsgeld" oder "Schiebung", so aber wollen die Architekten ihren Namen nicht verstanden wissen. "Graft" bezeichnet aber auch die Kunst des "Aufpfropfens", die Veredelung von Wein.

Wer das verstehen möchte, muss weit zurück gehen, bis ins 19. Jahrhundert, als sich die Reblaus durch die europäischen Weinstöcke fraß und die meisten von ihnen zerstörte. Gerettet werden konnten sie nur, indem sie mit den Wurzeln amerikanischer Weinstöcke veredelt wurden. Die nämlich waren immun gegen die Laus. Amerika und Europa, Europa und Amerika. Und neuerdings ist auch Asien mit dabei.

Die Journalisten überschlagen sich

1998 gründeten die mittlerweile Enddreißiger Wolfram Putz, Thomas Willemeit und Lars Krückeberg in Los Angeles das Architekturbüro "Graft" für Architektur, Städtebau, Design, Musik und, ja, so nannten sie das wirklich, "the pursuit of happiness". Drei Jahre später eröffneten die drei deutschen Architekten, die sich beim Studium in Braunschweig kennengelernt hatten, ein Büro in Berlin, 2004 folgte ein weiteres Büro in Peking.

Die Journalisten überschlagen sich. Graft seien mehr Rockband als Architekturbüro, schreiben die einen, andere sehen in ihnen gar eine "Hippiekommune". Ganz besonders begeistert die Öffentlichkeit Grafts Liaison mit Brad Pitt. Graft entwarfen ein Studio und ein Gästehaus für den Hollywoodstar und sind seither mit ihm befreundet.

Pitt arbeitet auch bei verschiedenen Projekten mit den Architekten zusammen, zum Beispiel bei einem Ferienresort in der Karibik oder dem New Orleans New Home Projekt, das neue Siedlungen für den von Hurrikan Katrina besonders zerstörten Stadtteil Lower Ninth Ward vorsieht.

Wie alles, was auch nur in entferntem Zusammenhang mit Brad Pitt steht, hat sich der Medienrummel mittlerweile auch auf die Architekten von Graft übertragen. Der könnte sich noch steigern, wenn das Gerücht stimmen sollte, wonach Graft an einem Hotelcasino beteiligt sein könnten, das Brad Pitt gemeinsam mit seinem Ocean Eleven-Kollegen George Clooney plant. Natürlich in Las Vegas.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: